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Wie cool ist der denn? – ein Interview mit Poetry Slamer Dominik Erhard

Beim Guerilla Slam in Berlin hat Dominik Erhard mir erzählt, warum ihn seine “Gehirnexplosionen” in der Schule zum Erfolg brachten, was das Besondere am Slam in Berlin ist und wieso er nicht auf den Fame bei Facebook und Co. steht.

Von Sarah Herpertz

“Wenn du nach den ersten beiden Packungen Chips die dritte nicht mehr aufkriegst, weil deine Finger zu fettig sind”, so beginnt der erste Text über ‘Den Teufel im Detail’, den ich heute Abend beim Guerilla Slam in Berlin von Dominik Erhard gehört habe. Der 23-Jährige ist Poetry Slamer und auf den Bühnen der Metropolen Deutschlands zu Hause. Für mich hat er sich in Berlin, seiner neuen Heimat, Zeit für ein Interview genommen. Mein Eindruck: Dieser Kerl hat es nicht nur echt drauf, sondern ist dazu auch noch super sympathisch.

Wie bist du Poetry Slamer geworden?

Ich bin eigentlich über meinen Deutschlehrer dazu gekommen. Der hat immer gesagt, dass ich komplett wirre Aufsätze schreibe und dass es mit meinen Gehirnexplosionen so nicht mehr weitergeht. Dann hat er mich zu meinem ersten Poetry Slam geschickt und gesagt, ich solle da mal das Zeug präsentieren, das ich bei ihm schreibe und in meinen Aufsätzen in der Schule lieber versuchen, etwas geradeaus zu denken. Heute habe ich im Poetry Slam ein Ventil gefunden, das meine Kreativität rausgelassen hat. Dann habe im Nachgang auch Germanistik und Philosophie studiert. Das war wohl ein sehr, sehr guter Ratschlag, den er mir da gegeben hat.

Du bist dann quasi vom Klassenzimmer direkt auf die Bühne gegangen?

Genau, ich habe am Anfang meine Aufsätze für Auftritte umgeschrieben. Der Text bei meinem ersten Auftritt, drei Tage vor meinem 17. Geburtstag, handelte zum Beispiel vom Fernsehen. Ich habe mich darüber aufgeregt, dass Fernsehen uns dumm macht – so ein ganz pubertierender Text. Die Anfangszeile ging so: “Blickt man in der Gesellschaft ringsherum, merkt man RTL-2-Deutschland ist dumm.” Das Ganze fing also bei einem ganz kleinen kuscheligen Slam in einem Restaurant in München an, wo alle Zuschauer währenddessen gegessen haben. Der Mann, der das veranstaltet hat, macht relativ viel und hat mich dann immer wieder eingeladen. Die Auftritte wurden größer und 2013 bin ich dann bayrischer Meister geworden. Seitdem geht es halt so durch ganz Deutschland.

Nachdem du mittlerweile schon über 500 Auftritte in verschiedenen deutschen Städten hattest, findest du, dass den Slam hier in der Hauptstadt im Vergleich zu anderen Städten etwas Besonderes ausmacht?

Ja, mehrere Sachen: Was mir direkt am Anfang sofort aufgefallen ist, ist, dass es in Berlin viele kleine Guerilla Slams gibt, die so aus dem Boden schießen. Du findest in Berlin jeden Tag irgendwo eine Lesebühne oder einen Slam. Ein großer Unterschied ist also, dass Berlin diverser ist und jede Veranstaltung einzigartig ist. Mir ist aber auch aufgefallen, dass die Veranstaltungen vom Publikum hier anders angesehen werden als in München. In Berlin ist der Slam am Abend eher so das Sprungbrett, um danach noch tanzen zu gehen, wie eine Zwischenstation und man zieht danach eben weiter. Was auch nicht schlecht sein muss. In München gehen die Leute gezielter zum Slam und danach nach Hause.

Wie viele Texte hast du mittlerweile in deinem Repertoire?

Texte habe ich sehr, sehr viele, aber nicht alle finde ich so gut, dass ich sie anderen zumuten kann und auf der Bühne präsentiere. Ich habe so 90 Texte grob, von denen ich aber maximal 40 auf der Bühne gemacht habe, je nachdem, wie ich drauf bin: Mal spreche ich über ernstere Sachen, mal was Persönliches. Heute Abend hätte ich neun Texte machen können, von denen ich sage, die sind cool, die passen zum Publikum. Ich glaube nämlich auch, dass es den einen Slam-Text nicht gibt, es gibt keinen ‘besten Text’. Die Leute haben eine Tagesform, das Publikum hat immer eine bestimmte Stimmung… Es ist oft so, dass ich bei dem Antrittsapplaus auf dem Weg zur Bühne entscheide, welchen Text ich nehme. Und das erste, was mir dann so auf der Bühne zu dem Text in den Sinn kommt, sage ich dann vorher so als Anmoderation.

Dominik Erhard bei seinem Auftritt im Monarch. Quelle: Sarah Herpertz
Dominik Erhard bei seinem Auftritt im Monarch. Foto: Sarah Herpertz

Du trägst die meisten deiner Texte aus dem Kopf vor. Wie lange dauert es, einen Text auswendig zu lernen?

Das ist ganz unterschiedlich: Manche Texte sind wirklich so aufgebaut, wie man denkt. Dann schreibst du den rund, ließt ihn noch dreimal durch und sprichst ihn dann vor der Veranstaltung und merkst, der funktioniert. Ganz am Anfang übe ich die Texte tatsächlich vor dem Spiegel, um zu schauen, welche Bewegungen dazu passen, wenn das nicht schon beim Schreiben entsteht. Und dann lerne ich die tatsächlich auswendig. Texte, die mir schwer fallen, nehme ich auf und höre sie dann in der U-Bahn. Textblöcke kann man immer relativ schnell auswendig, aber die Verbindungen fehlen anfangs noch.

Wo willst du mit dem Poetry Slamen hinkommen?

Da hat sich meine Einstellung ziemlich gewandelt: Vor zwei Jahren war mir klar, dass ich jetzt bald ein Solo-Programm schreibe und dann auf jeden Fall auch auf Bühnen bin. Der Slam ist ein ziemliches Sprungbrett für Leute, die ins Kabarett gehen wollen. Ich glaube aber, dass mich dieser Druck, für den nächsten Monat noch zwei Texte haben zu müssen, in dem Genre Slam Text eher hindern würde. Mittlerweile will ich nicht mehr vom Slam leben, aber ich will auf jeden Fall vom Schreiben leben und vom Denken. Ich will eher in den Journalismus gehen, wo man auch ein bestimmtes Handwerk am Text an den Tag legen kann. Ich möchte mir das Freie, was ich im Slam habe und was man generell in künstlerischen Formen hat, so frei halten, wie es möglich ist.

Wie entsteht denn so ein Text?

Die Texte laufen mir eher zu, ich mache mir spontan Gedanken und schreibe sie dann wie ein Tagebucheintrag auf, der aus einem Funken einer Idee entsteht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass mein Kopf Verbindungen herstellt, die oft zu schnell sind, die oft sehr blödsinnig sind, aber aus diesen dreihundert, die er halt macht, pickt man eben diese eine raus, die vielleicht auch für andere Menschen Sinn ergeben kann. Ich mache den Slam auch immer noch, um mein Denken mit anderen Leuten abzugleichen. Ist das, was ich denke, auch für den Rest der Menschheit sinnvoll?

Wie testest du das dann – vor Freunden?

Nein, ich mache meine Slam-Texte nie vor Freunden, nie am Anfang. Wenn es nicht richtig gute Freunde sind, sagen die nur “Ja, mach den, das ist auf jeden Fall toll” oder es sind sehr gute Freunde und dann freue ich mich eher, wenn sie den Text hier in diesem Slam-Kontext hören. Das ist genauso, wie wenn Freunde auf einer Party fragen, ob ich mal einen Text vortragen kann. Slam funktioniert stark im Medium an sich.

Mir ist aufgefallen, dass du in den sozialen Netzwerken nicht wirklich aktiv bist. Du hast zum Beispiel keine offizielle Facebook-Seite. Geht es dir beim Poetry Slam denn nicht auch um das Promoten deiner Person?

Es kommen wirklich viele Menschen zu mir und sagen: “Mach dir mal einen öffentlichen Facebook-Account, mach mal ein bisschen mehr auf Twitter und Instagram.” Das würde mir mit Sicherheit helfen und vielleicht wäre man dann im Slam schon DIE Größe oder so, aber ich glaube, ich bin tief drin eher eine schüchterne Person und im persönlichen Umgang eher entspannt, aber wenn dann diese Distanz dazwischen ist, die ja auch medial verstärkt wird, das ist eher nicht so meins.

Ich schreibe dann wenn den Leuten, die mir wichtig sind oder von denen ich glaube, dass sie an der Veranstaltung Spaß haben, persönlich und freue mich, dem Publikum einen schönen Abend zu bereiten. Ich weiß von meinem Freunden, dass sie mich mögen und alle anderen werden mich bei einem Auftritt entweder hören oder eben nicht. Mir ist diese anonyme Aufmerksamkeit und Anerkennung nicht so wichtig. Ich mag es viel lieber, wenn die Leute nach dem Auftritt zu mir kommen und sagen: “Hey, der Text, der war krass, da werde ich jetzt zwei Tage drüber nachdenken.” Aber vielleicht muss ich da auch noch ein bisschen über meinen Schatten springen…

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