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Wenn selbst Mutti zockt – Casual Games für Jedermann

Ob im Bus, während der Mittagspause oder abends im Bett – es gibt wohl kaum einen Smartphone-Nutzer, der nicht schon einmal in den kunterbunten Welten von Handyspielen versunken ist. Doch wer entwickelt eigentlich solche Süchtigmacher und wie steht es um deutsche Spieleentwicker? Ein Besuch beim Berliner Studio „Wooga“.

Nur noch ein Level, dann hör ich auf. Na gut, diesen Highscore muss ich noch knacken. Der Bus hat Verspätung? Dann kann ich ja noch eine Runde zocken… Solche Gedanken kennt wohl jeder, der z.B. schon einmal virtuelle, bunte Blasen am Handy zum Platzen gebracht hat. „Diamond Dash“, „Bubble Island“ oder „Pearl’s Peril“ heißen die sogenannten free-to-play Titel, die kostenlos am Smartphone oder Tablet gespielt werden können. Geld muss der Spieler hier nur ausgeben, wenn er schneller erfolgreich sein möchte. Ein Geschäftsmodell, welches viele deutsche Spieleentwickler für ihre Produktionen nutzen, so auch das Berliner Studio Wooga. 2009 begann die Erfolgsgeschichte der Spieleschmiede, welche jahrelang am besten für ihre Rolle als führender Entwickler von Facebook-Spielen bekannt war.

Foto: Wooga
Foto: Wooga

Mittlerweile hat sich das Start-Up zu einem Grown-Up entwickelt und ausschließlich auf die Entwicklung von Mobile Games spezialisiert. Wooga beschäftigt derzeit ca. 270 Mitarbeiter aus über 40 Ländern in den Räumen der Backfabrik am Prenzlauer Berg und gehört damit zu den größten Studios in der Republik. Berlin ist DER Videospielstandort Deutschlands. Doch der Markt ist hart umkämpft, auch bei Wooga bekam man dies zu spüren. So musste man letztes Jahr 40 Mitarbeiter aufgrund von Spielen entlassen, die hinter den Erwartungen zurückblieben. Einzelne Bereiche wurden im Zuge dessen umstrukturiert, sodass man sich jetzt wieder voll und ganz auf das Kerngeschäft konzentriert – Casual Games für Jedermann. Im Interview erzählt Woogas PR Lead Maike Steinweller von den Herausforderungen der schnelllebigen Gamingbranche und von den Vorteilen des Standortes Berlin:

Weshalb zieht es so viele Spieleentwickler nach Berlin?

Maike Steinweller: Der größte Vorteil ist auf jeden Fall die Internationalität der Stadt. Dadurch, dass wir bei uns im Haus Leute aus der ganzen Welt beschäftigen, ist das ein ganz wichtiger Faktor. Junge, kreative Menschen kriegst du leichter nach Berlin gelockt, als zum Beispiel nach Karlsruhe. Berlin ist unheimlich international, quasi ein Schmelztiegel der Kulturen. Hier fasst man schnell Fuß und kulturell ist für jeden etwas dabei. Selbst die abgefahrensten Hobbies werden in Berlin bedient. Das kommt uns und unserer Firmenphilosophie hier sehr zugute. Für uns wäre Wooga deshalb an keinem anderen Standort denkbar.

Wie würdest du Berlin im Vergleich zu anderen Videospielmetropolen auf der Welt bewerten?

Maike Steinweller: Wir müssen uns nicht hinter anderen Videospielstandorten, wie San Francisco, London oder Helsinki verstecken. Verglichen mit diesen Standorten hat Berlin sogar den entscheidenden Vorteil, dass die Lebensunterhaltungskosten sehr gering sind.

Bei einem so rasant wachsenden Markt seid ihr wahrscheinlich nicht die einzigen, die ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Wie hoch ist der Konkurrenzdruck in der Branche?

Foto: Wooga
Foto: Wooga

Maike Steinweller: Im Mobile- und Casualbereich wächst die Anzahl der Spieler seit Jahren enorm. Dadurch, dass sich mit den mobilen Geräten, Spiele für eine komplett neue Zielgruppe eröffnet haben und jeder im Prinzip eine kleine Spielkonsole mit sich herumschleppt, hast du einen riesen Markt, der dir zu Füßen liegt. Mit den wachsenden Spielerzahlen, steigt aber natürlich auch die Anzahl der Spiele exponentiell an. Jeden Tag werden hunderte neue free-to-play Titel in die Appstores geladen. Dementsprechend ist es unglaublich schwer heutzutage, eine gute Sichtbarkeit in den Top-Listen zu erlangen. Die Kunst besteht jedoch nicht nur darin, die Leute zum Herunterladen zu kriegen, sondern sie so gut zu unterhalten, dass sie möglichst lange dabei bleiben. Die Spieler müssen Spaß haben. Optimalerweise geben sie dann irgendwann im Spiel auch Geld aus.

Gerade die Generation der Ü50-Jährigen ist eine Zielgruppe, die vor dem Aufkommen von Smartphones gamingtechnisch eigentlich gar nicht bedient wurde, nun aber gerade im Mobile-Markt ganz vorne
dabei ist. Wie kann man sich das vorstellen, entwickelt ihr speziell auf diese Zielgruppe hin?

Maike Steinweller: Auf jeden Fall. Wir überlegen uns natürlich für jedes einzelne Spiel genau, wer die Zielgruppe ist, wen wir ansprechen wollen. Das klassische Bild vom jungen, männlichen Gamer, der zuhause mit seinen Freunden vor der Konsole nächtelang durchzockt hat sich komplett geändert. Mittlerweile spielen fast genauso viele Frauen wie Männer aller Altersklassen virtuell. Unser Rätselspiel „Pearl’s Peril“ hat vor allem eine irrsinnig große Nutzerschaft an älteren Damen. Diese Frauen über 40 spielen dementsprechend ganz anders als 18 jährige Mädels und haben komplett andere Erwartungen an ein Spiel. Darin, all diesen unterschiedlichen Spielertypen gerecht zu werden, liegt die Herausforderung, der wir uns täglich stellen müssen. Der Markt wird nicht einfacher, aber es gibt auf jeden Fall noch Wachstumspotential.

Tim

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