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Was von Bonn als alte Hauptstadt noch übrig geblieben ist

Beethoven, Haribo und der Post Tower – womit verbindet man die Stadt Bonn? Wem die Stadt noch unbekannt ist, der wird nach ersten Recherchen häufig auf die genannten Schlagworte treffen, oder etwas über die Historie der Stadt erfahren. Dazu gehören auch die Jahre von 1949-1990, in denen Bonn die Hauptstadt Deutschlands war. Auch heutzutage gibt es dort noch einige Wegzeichen, die an diese Zeit erinnern.  

Von Michelle Müller

Mehr als 70 Jahre ist es her, dass Bonn zur Bundeshauptstadt Deutschlands gewählt wurde: Über vierzig Jahre lang waren hier neben dem Parlament die wichtigsten politischen Institutionen, diverse Botschaften und deutsche Bundesministerien ansässig. Bis zum Jahr 1999 war Bonn sogar Regierungssitz. Und auch im 21. Jahrhundert statten wichtige Politiker:innen wie Anna-Lena Baerbock oder Christian Lindner der Stadt gelegentlich noch einen persönlichen Besuch ab, wie es auch in diesem Jahr unmittelbar vor der Bundestagswahl der Fall war.

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World Conference Center von außen

Hauptstadtcharakter der Bundesstadt Bonn

Weiterhin erhalten sind aus dem Zeitraum, in dem Bonn Hauptstadt war, beispielsweise der „Plenarsaal“. Dort tagten die Bundestagsabgeordneten von 1992 bis 1999. Seit 1999 wird das Gebäude als Kongresszentrum genutzt und ist Teil des World Conference Center. Jährlich empfängt es rund 60000 Menschen für wichtige Veranstaltungen. Hier fand unter anderem die UN-Klimakonferenz 2017 statt. Mittlerweile sind Besichtigungen vor Ort auch wieder möglich, weiterhin besteht aber ebenso die Möglichkeit, eine digitale 360 Grad-Rundgang durch das Hauptgebäude und den Plenarsaal vorzunehmen.

Ein wichtiges Besucher:innenziel stellt auch die Villa Hammerschmidt dar, welche seit 1950 Amts- und Wohnsitz des Bundespräsidenten ist, seit 1994 allerdings nach dem Schloss Bellevue nur noch als Zweiwohnsitz dient. Wenn der Bundespräsident vor Ort in Bonn ist, dann wird üblicherweise die Standarte auf dem Dach gehisst. In der Villa Hammerschmidt kann man sich aber auch trauen lassen. Außerdem bietet ein im Zweijahrestakt stattfindender “Tag der offenen Tür” die Möglichkeit, dieses bedeutende Gebäude und seinen Park näher anzuschauen.

Neben diesen Bundesbehörden ist in Bonn außerdem eine  Zentrale der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) verortet, genauso wie die Konzernzentralen der Deutschen Telekom AG und der Deutschen Postbank. Damit ist Bonn einmal mehr auch ein wirtschaftlich bedeutender Standort.

Quelle: pixaby
Verdeckter Blick auf die Villa Hammerschmidt, Quelle: pixabay

Doch nicht nur in politischer Hinsicht, sondern auch kulturell, historisch und künstlerisch hat Bonn noch immer Hauptstadtcharakter: Für Kunstliebhaber zum Beispiel hat die Bundeskunsthalle, in der Wechselausstellungen mit bedeutenden Kunstgütern gezeigt werden, einiges zu bieten.

In der “Museumsmeile” befindet sich unter anderem das Haus der Geschichte mit seinen Wechselausstellungen und der Dauerausstellung, die die gesamte deutsche Geschichte nach dem Jahr 1945 rekapituliert, welche allen Besucher*innen kostenlos zur Verfügung steht. Dieses Museum hat aber noch mehr zu präsentieren, so gibt es beispielsweise die Möglichkeit, sich Führungen durch den Kanzlerbungalow und den ehemaligen Bundesrat, nahe des Rheinufers, anzuschließen. Genauso kann man aber auch das ehemalige Kanzleramt und zweiten Dienstsitz der Bundeskanzlerin, den Palais Schaumburg, besichtigen.

Wichtiger Standort der Vereinten Nationen

Bonn ist zudem seit 1996 deutsche Stadt der Vereinten Nationen, die ihren Sitz im so genannten „Langen Eugen“, direkt neben dem Post Tower, haben. Insgesamt sind über 20 der UN-Organisationen am UN-Campus in Bonn ansässig, dazu zählt das Freiwilligenprogramm der Vereinten Nationen, welches sein Hauptquartier in Bonn hat, das Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung oder ebenso das Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge. Ebenfalls ansässig ist hier die Aktionskampagne der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, aus denen die 17 Ziele zur Nachhaltigkeit hervor gehen. Um diese von den VN festgelegten Ziele zu erreichen, hat auch Bonn eine kommunale Strategie zur Verwirklichung entwickelt.

Bonn als provisorische Hauptstadt

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Posttower (Zentrale der Deutschen Post AG in Bonn)

Doch warum wählte man damals überhaupt Bonn als Hauptstadt aus? Offensichtlich fiel Berlin aufgrund seiner Besetzungen durch die Sowjetunion und der Teilung aus dem Rennen, aber es gab noch andere Kandidaten wie beispielsweise Frankfurt. Die Stadt mit dem dort ansässigen Wirtschaftsrat und dem Schnittpunkt der drei westlichen Besatzungspunkte war ebenfalls ein klarer Favorit in der so genannten „Hauptstadtfrage“.

Letztendlich lag einer der Gründe, weshalb sich Bonn als neue Hauptstadt gegenüber seines „Konkurrenten“ Frankfurt durchsetzte darin, die Errichtung eines „Weststaates“ zu symbolisieren. Diese Entscheidung wurde auch vom späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer unterstützt. Dass Bonn „nur“ als Platzhalter für Berlin galt, spricht der heutigen Bundesstadt allerdings keineswegs ihren Partikularitätscharakter ab. Häufig mied man dennoch den expliziten Begriff „Hauptstadt“ und bevorzugte die Bezeichnung „Regierungssitz“. So trug Bonn auch den Titel „Bundeshauptstadt“ erstmals im Bonn-Vertrag von 1970.

 

War Bonn also ursprünglich nur eine provisorische Hauptstadt, die zur Zeitüberbrückung dienen sollte, bis die heutige Hauptstadt Berlin zum Nachfolger gekürt wurde, so weist sie dafür heute umso größeren Hauptstadtcharakter aufgrund der hier ansässigen Bundesbehörden, aber auch kulturellen oder historischen Attraktionen, auf. Dies zeigt: Obwohl Bonn nicht mehr offiziell die Hauptstadt Deutschlands ist, nimmt die Stadt noch immer einen großen (inter)nationalen Stellenwert ein.

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