Gameplay, aber immersiv

Wer Videospiele spielt, wird es kennen: ein immersiver und gut abgerundeter Aufbau der Spielwelt ist das A und O vieler Gaming-Experiences. Rollenspiel-Abenteuer, die für ihr ausgeklügeltes Worldbuilding und immersives Gameplay bekannt sind gibt es zahlreiche, wie Elden Ring, Cyberpunk 2077, die The Elder Scrolls Reihe, oder das neuere Baldur’s Gate (3). Kleine (oder große) Unstimmigkeiten wie visuelle Bugs oder ein liebloser Aufbau der Spielumgebung kann diese Immersion jedoch stark stören. Das heißt nicht, dass ein weniger detailreich produziertes Computerspiel keinen Spaß machen kann. Oft haben gerade auch diese Spiele ihren eigenen Charme. Doch was macht das Gameplay eines Computerspiels immersiv? Natürlich macht intuitive Steuerung, tiefgehendes Storywriting sowie fortgeschrittene, meist möglichst realitätsnahe Grafik einen signifikanten Teil der Immersion aus. Aber ein wichtiges Detail, dem man oft wenig Beachtung schenkt, ist für mich das Wasser.

Eine der thematisch grundlegenden Immersionsfaktoren des Piraten-Abenteuers Sea of Thieves ist natürlich der Ozean.

Wasser als Immersionsfaktor

Wasser ist in zahlreichen Videospielen ein grundlegender Bestandteil der Spielwelt. Es ist mehr oder weniger auffällig in Form von beispielsweise Flüssen, Seen, als Regen, in Pfützen oder als Verbrauchsmaterial anzutreffen. Das Ausmaß der Implementierung ist dabei beliebig: In manchen Fällen dient es nur der Illustrierung der dargestellten Welt und rückt in den Hintergrund, in anderen Fällen ist es zentraler Bestandteil des Gameplays, wie in Subnautica. So ist es auch ein grundlegender Teil des Mapdesigns von kompetitiven Spielen wie League of Legends oder Valorant, wo das Wasser sogar bei der Lokalisierung der Gegner durch charakteristische Schrittgeräusche hilft. Doch in fast jedem Spiel taucht Wasser in irgendeiner Form auf. Dabei gibt es deutliche Unterschiede im Interaktionslevel des Spielenden damit und in der Darstellung. Wer selbst Videospiele spielt, wird es kennen: Eine Wasseroberfläche, die sich nicht angemessen dynamisch in die Umgebung einfügt, sieht schnell fehl am Platz aus. Doch gerade Assassins Creed: Black Flag und Sea of Thieves glänzen mit ihren Wasserdarstellungen und -interaktionen. Dazu gehört Wasser, das auf Witterung, Lichteinflüsse oder Interaktion mit den Spielenden möglichst realitätsgetreu reagiert.

Ein Beispiel für wenig dynamische Anpassung des Wassers an die Umgebung im Spiel The Isle: Legacy. Das Spiel erhielt 2020 jedoch ein großes Update, was auch die Grafik deutlich verbesserte.

Eine technische Meisterleistung

Ob Wasser realitätsnah aussieht, ist selbst für den Laien schnell ersichtlich – wir sind es aus dem echten Leben gewöhnt. Doch realitätsnah wirkendes Wasser erfordert einige Arbeit von der Game-Engine (also der Grundlage, auf der das Spiel aufgebaut ist), dem Computer auf dem gespielt wird, als auch von den Entwicklern selbst. Tatsächlich der Realität entsprechende Darstellung der Dynamik von Wasser ist heute allerdings noch nicht allgemeintauglich in Computerspielen möglich. Die erste Schwierigkeit der Darstellung von realitätsnahem Wasser ist die Physik der Wasserdynamik. Wasser bewegt sich auf sehr komplexe Art und Weise. Wellen, Wassertropfen oder Wasseroberflächen erfordern rechenintensive physikalische Simulation der Interaktion mit den Spielenden und der Umwelt. Kurz gesagt: Alles, was aus kleinen Partikeln, wie beispielsweise Haaren oder Laub besteht, ist in der Darstellung äußerst rechenintensiv. Die Bewegung eines kleinen Teilchens in Echtzeit zu berechnen ist einfach, eine Wassermasse besteht, wenn aufwendig simuliert, aus einer großen Menge von kleinen ‚Wassereinheiten‘ (oder ‚-Teilchen‘). Man stellt sich ein Bällebecken mit sehr kleinen Bällen vor, die sich in ihrer Bewegung gegenseitig beeinflussen. Damit das Wasser möglichst realitätsnah aussieht, müssen diese Wassereinheiten einzeln berechnet werden. Die zweite Schwierigkeit ist die Brechung (und Reflektion) von Licht. Idealerweise bricht jede der Wassereinheiten bei ihrer Bewegung ebenfalls individuell das Licht. Der Weg des Lichtes lässt sich mathematisch festlegen, erfordert jedoch sehr viel Rechenleistung. In Videospielen muss dieser Rechenprozess auch noch in Echtzeit passieren, und sich an die Interaktionen des Spielers anpassen.

Wassersimulation in Echtzeit?

Jakub Medvecký-Heretik untersucht in seiner Masterarbeit von 2018 („Real-time Water Simulation in Game Environment“) die Möglichkeiten der Simulation von Wasser in Videospielen in Echtzeit. Die genutzte Anwendung erlaubte die Interaktion mit Wasser in der Spielwelt. Einige Einschränkungen gab es jedoch dabei zu simulieren, wie sich verschiedene Flüssigkeiten miteinander vermischen, oder das Schwimmen von verschiedenen Gegenständen an der Wasseroberfläche. Diese Einschränkungen hängen natürlich von der für die Wassersimulation genutzten Anwendung ab und können variieren.

Ein Screenshot aus Sea of Thieves. Das Spiel ist bekannt für seine herausragende Wasserphysik.

Wasserdarstellung leicht gemacht?

Je realitätsnäher dies aussehen soll, umso aufwendiger für Computer und Entwickler. Zur Berechnung werden verschiedene Simulationssorten genutzt, wie beispielsweise die Theorie der Gerstner Wellen (eine Theorie der periodischen Wellenformation von Oberflächen; im englischen auch Trochoidal wave genannt) oder die Tessendorf Simulation (eine weitere Simulation für Ozeanwasser). Idealerweise muss jede Wasserbewegung, jede Lichtquelle, jede Sichtlinie des Spielers in Echtzeit berechnet werden. Lange Zeit spielten sogenannte Shader die zentrale Rolle, Programme, die auf dem Grafikprozessor (meist der Grafikkarte) laufen und Schatten von Objekten simulierten. Die Ray Tracing-Technologie („Strahlenverfolgung“) der neueren Grafikkartengenerationen ermöglichen erstmals die Berechnung der Interaktion von Licht mit Oberflächen und Körpern in Echtzeit. Damit können die physikalischen Eigenschaften von Licht je nach Engine und Computerkapazitäten realitätsnah simuliert werden – und somit auch Wasseroberflächen. Ray Tracing ist seit 2018 ein integraler Teil der neuen Videospielgeneration geworden, und ermöglicht noch immersiveres Gameplay. Es ist zu erwarten, dass dieser Prozess in Zukunft weiter optimiert wird.

Eine tiefgehende Erklärung der Simulation der Wasserphysik in dem Spiel Sea of Thieves von Valentine Kozin, der an dem Spiel mit beteiligt war.