Aufenthalte in Supermarkt und Küche haben in den Corona-Semestern den studentischen Alltag geprägt. Anstelle des Mensabesuches hieß es meistens: Einkaufen und selbst kochen. Kein Wunder also, dass sich bei mir in dem neu ausgeprägten Alltagsbereich bald Nachhaltigkeitsambitionen entwickelten. Doch sind studentische Realität und eine klimafreundliche Einkaufs- und Ernährungsweise vereinbar?
Von Laura Nührenbörger
Die studentische Realität vs. Nachhaltigkeit
Verpackungsmüll und Lebensmittelabfälle vermeiden, regional und saisonal einkaufen und der Verzehr von Bio-Produkten: All das sind Komponenten, die neben der Ernährungsform ökologische Nachhaltigkeit fördern. Zugegeben, obwohl ich mit diesen verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit nur so um mich werfe, habe ich mich trotz alledem nicht zu selten in folgendem Dilemma wiedergefunden: Einerseits will ich zwar – gemäß meines persönlichen Nachhaltigkeitsideals – die regionalen, unverpackten und mit einem Bio-Label gekennzeichneten Lebensmittel kaufen, andererseits muss ich darauf achten, dabei mein Budget nicht vollständig zu sprengen. Was sich zusätzlich auch immer wieder als Herausforderung entpuppt hat, war die Frage, wie, wo und was ich in welchen Mengen einkaufen kann, ohne auf gekauften Lebensmitteln sitzen zu bleiben.
Gerade als Studentin gibt es für mich in der Konsequenz also zwei Aspekte – Kosten und realistische Umsetzbarkeit – die meinem Nachhaltigkeitswunsch entgegenstehen. Warum drei lose Bio-Paprika kaufen, wenn das 500-Gramm Multipack günstiger ist? Und wie plant man den Einkauf und das Kochen so, dass noch Raum für Spontanität gegeben ist?
Erfahrung zahlt sich aus: Was ich bisher gelernt habe
Mir Wissen über die Lebensmittel anzueignen, hat mir dabei geholfen, meine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wichtig ist hierbei, neben einer grundsätzlich pflanzenbetonten Ernährung, u. a. die richtige Lagerung und die Verwendung. In diesem Sinne habe ich beispielsweise gelernt, dass man den Brokkoli-Stamm mitessen kann und dass Äpfel ein Reifegas ausstoßen, wodurch es sinnvoll ist, andere Obst- und Gemüsesorten oder Kartoffeln nicht direkt neben der Frucht zu lagern. Dieses Know-How hat sich darüber hinaus in Kombination mit Kreativität als hilfreich herausgestellt. Den Gefrierschrank als Allzweck-Waffe genutzt, bilden eingefrorene Aufstrich-Reste bei mir zuhause regelmäßig die perfekte Grundlage für Pasta-Saucen.
Häufiger saisonale Produkte einzukaufen kann sich, wie der Blick auf das Sortiment vieler Discounter und Supermärkte zusätzlich verrät, kostentechnisch lohnen, weil diese meist in der jeweiligen Jahreszeit am billigsten sind. Gewusst wie lecker zubereitet, kann dann sogar Wintergemüse wie Rosenkohl schmecken. Auch ist mir aufgefallen, dass besonders Discounter ihr Sortiment an Produkten biologischer und zum Teil auch regionaler Herkunft in den vergangenen Jahren stark ausgebaut haben, wodurch ökologische Nachhaltigkeit realistischer geworden ist. Ansonsten lohnt es sich bei nachhaltigeren Produkten, die normalerweise relativ teuer sind, auf Angebote zu achten. Um Plastikmüll zu vermeiden, lohnen sich die kleinen und bekannten Maßnahmen: Statt Plastiktüte einfach einen Stoffbeutel mitbringen oder das Produkt lose auf das Kassenband legen.
Tipps von einer Expertin: Das Projekt NEiS an der Uni Bonn
Doch wie sieht die Meinung von Expert:innen zu dieser Thematik aus? Um mehr zu erfahren, habe ich mich mit Dagny Schwarz von der Verbraucherzentrale NRW in Kontakt gesetzt. Sie ist Koordinatorin des Projektes „Nachhaltige Ernährung im Studienalltag“ (NEiS), das Student:innen im Raum Köln/Bonn bei einer nachhaltigeren Ernährung unterstützen möchte. Dafür werden, auch in Kooperation mit der Universität Bonn, einerseits studentische Initiativen gefördert und mit dem Studierendenwerk sowie den Mensen zusammengearbeitet. Gleichzeitig stellt das Projekt, das vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW gefördert wird, Informationsangebote bereit und bietet entsprechende Events und Veranstaltungen, wie zuletzt beispielsweise Kochworkshops, an. Das zeigt, dass auch bei NEiS Wissen über Lebensmittel und Kochfähigkeiten im Vordergrund stehen. Nicht nur, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden, sondern auch, weil hoch verarbeitete Produkte oft eine schlechtere Klimabilanz aufweisen als frisch gekochtes Essen – vorausgesetzt es wird mit überwiegend unverarbeiteten Lebensmitteln gekocht.
Insgesamt decken sich viele meiner Erfahrungen mit den Tipps der Expertin. Dennoch hat sie auch Aspekte betont, die ich zuvor kaum bedacht hatte: Zum Beispiel sollten bei der Beachtung von Regionalität und Saisonalität auch Faktoren wie der Transportweg und -art einbezogen werden. Denn Produkte, die aus deutschen Gewächshäusern stammen, sind zwar theoretisch regional(er), aber nicht wirklich gut fürs Klima. Gleichzeitig hilft es laut der Expertin vor allem, Lebensmittel zu vermeiden, die per Flugzeug importiert wurden. In diesem Sinne folgert sie:
„Regional heißt, möglichst kurze Wege. Das kann in Deutschland auch die Orange aus Italien sein.“
In Bezug auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, eines der zentralen Themen des Projektes, rät Dagny Schwarz unter anderem zu Konzepten wie Foodsharing. Persönlich habe ich, wie sie zusätzlich empfiehlt, bereits Apps, wie TooGoodToGo benutzt, durch die man nicht nur Lebensmittel vor der Mülltonne rettet, sondern auch günstig an Biolebensmittel kommt.

Insgesamt eröffnet sich durch das Wissen der Expertin nochmals eine neue und vor allem erweiterte Perspektive auf Nachhaltigkeit, die weitaus mehr umfasst als „nur“ ökologische Aspekte. Daneben wird mit den zahlreichen öffentlich zugänglichen Angeboten des Projekts und den Tipps der Expertin aber vor allem eines deutlich:
„Vieles, was der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen hilft, spart praktischerweise gleichzeitig auch Geld“.
Dieser Folgerung von Dagny Schwarz kann ich mich auch aus meiner individuellen Erfahrung heraus weitestgehend anschließen. Denn obwohl nachhaltigeres Einkaufen und Kochen meiner Meinung nach auch eine Frage von Prioritätensetzung, Privilegien und der individuellen Definition von Nachhaltigkeit bleibt, gibt es simple Möglichkeiten, mehr Nachhaltigkeit in das eigene Ernährungs- und Einkaufsverhalten zu integrieren. Statt sich die Frage nach der Vereinbarkeit zu stellen, ist es vielleicht also auch gar nicht so abwegig, danach zu fragen, ob sich der studentische Alltag und Nachhaltigkeitsziele nicht sogar teilweise ergänzen können.
Auch in den kommenden Monaten wird NEiS weiterhin verschiedenste Projekte anbieten. Informationen dazu findet man auf der Website von NEiS oder auch auf Social-Media-Kanälen der Uni Bonn und des Studierendenwerks.