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Videonale.19: Kunstmuseum Bonn hinterfragt Zugänglichkeit von Kunst in neuer Ausstellung

27 Installationen aus 86 Ländern stellen die Wirkkraft von Kunst auf den Prüfstand. Zwei Künstler liefern dem Medienblick exklusive Einblicke in ihre Motivation hinter den Ausstellungsstücken.

Die Videonale geht in die 19. Runde. Dieses Jahr verhandeln 27 Installationen, ausgewählt aus knapp unter 2000 Einsendungen aus 86 Ländern, brandaktuelle Themen, wie Krieg, Identität und Klimawandel. Ein umfassendes Festivalprogramm soll dabei internationalen, jungen Kunstschaffenden eine Bühne bieten und ihre jeweiligen Installationen hervorheben. Die Ausstellenden möchten Stimmen marginalisierter Personen zugänglich machen und einen „Ort des Austauschs“ schaffen. Kann Kunst das überhaupt?

Junge Kunstschaffende wollen Grenzen auflösen

Thematisch liegt die Videonale.19 nah an der 18. Ausgabe, die den Beinamen „Fluid States, Solid Matter“ erhalten hat. Laut Intendant Prof. Dr. Stephan Berg wurde dieses Jahr im Gegensatz zu den vorherigen vier Ausgaben auf einen Beinamen verzichtet, da ein Begriff die Gesamtheit der künstlerischen Einsendungen nicht fassen könne. Die künstlerische Leitung Tasja Langenbach, die im Jahr 2023 für die Videonale zum fünften Mal mit Ruth Lorenz, Architektin der Ausstellung, zusammenarbeitet, wollte in diesem Jahr stärker von den Einzelstücken, als von einer thematischen Klammer ausgehen.

Die thematische Verwandtschaft erklärt sich wohl daher, dass die jungen Kunstschaffenden sich in den 2020ern einer unsteten Welt in Umbrüchen ausgesetzt sehen. Auch in diesem Jahr zielen viele der Installationen auf eine Dekonstruktion der starren, gedanklichen Grenzziehungen ab, die das Potenzial von Menschen einschränken und zu der Zerstörung der Natur beitragen.

Und obwohl thematische Überschneidungen bestehen, ist es viel zu stark heruntergebrochen von einer vergleichbaren Videonale zu sprechen, dafür sind die individuellen Stimmen der Kunstschaffenden zu unterschiedlich.

Julian Quentin präsentiert „Territory“

Julian Quentin bringt in der Installation „Territory“ beispielsweise die Sehnsucht nach einem losgelösten, fluiden Körper zum Ausdruck. Quentin stellt unter anderem in Zürich und Köln aus. An der Videonale finde er, laut Angabe im Interview mit dem Medienblick, die „anfassbare Materialität“ seines ausgestellten Werks reizvoll, welche auf Festivals nicht gegeben sei.

Vor dem Bildschirm, der eine etwas zehnminütige Aufnahme mit Eindrücken aus einer Performance zeigt, liegen drahtige Bruchstücke, die bei der abgefilmten Performance verwendet wurden. Die Stücke vergegenständlichen ein Exoskelett, dass abgelegt wurde, um neue Möglichkeitsräume schaffen zu können. Das Werk ist von Science-Fiction Motiven beeinflusst und speist sich durch eine queere Inspiration. Quentin schafft hypnotische Bildabfolgen, die ihm zufolge eher Gefühle hervorrufen, als einen bestimmten Inhalt vermitteln, sollen.

They call it the american dream, because you have to be asleep to believe it.

Text-Aufdruck in Ausstellungsraum der Videonale.19

Solchen großen Themen, wie Körperidentität, Zensur und Trauma, wird im Rahmen der Ausstellung wieder ein Brennglas aufgelegt und damit ihre Konstruiertheit betont. Das funktioniert besonders gut, da die Bewegtbilder im Zusammenspiel mit anderen Medien, wie Text-Aufdrucken, Bildern, Musik unter dem Einsatz mehrerer Bildschirme, auf eine Gemachtheit hinweisen – in dem Sinne etwas Künstliches, künstlich zu vergrößern.

Auf einer Wand steht zum Beispiel der kritische Satz: „They call it the american dream, because you have to be asleep to believe it.“ Im Zusammenspiel der offen gehaltenen Räume, dem auch der Einsatz von Vorhängen als halbdurchlässige Trennungen Rechnung trägt, kann sich hierdurch ein multimedialer Dialog entfalten. Und auch die wenigen Black Boxen im klassischeren Sinn, werden über das laute Abspielen des Tons zu den jeweiligen Bewegtbildern durchbrochen.

Poyen Wang spricht über „Endearing Insanity“

In einem dieser verhältnismäßig abgeschirmten Räume befindet sich die Installation „Endearing Insanity“ des taiwanischen Künstlers Poyen Wang, der aktuell in New York lebt. In dem kleinen, weißen Raum fällt der Blick auf einen Bildschirm, der in dominant roten und blauen Farbtöten ein etwa acht Minuten langes, animiertes Video mit einem cartoonhaften Protagonisten zeigt.

Wang sagt im Interview mit dem Medienblick, dass die Räumlichkeit, die Einengung unterstreicht, die in seiner semi-autobiografischen Arbeit zum Ausdruck gebracht werden soll. Die zuschauende Person könne in einen intimen Dialog mit dem Protagonisten treten, der über seine cartoonhafte Darstellung als süße und verführerische Figur in einem Spannungsfeld zu den horrorfilmischen Tönen, Schnitten und gezeigten Settings des Videos steht. Wang möchte damit den Widerspruch eines unheimlichen, aber auch anziehenden Gefühls der „Otherness“ vermitteln und auf eine entgrenzende Queerness übertragen.

Videonale.19 steht im Zeichen von „Aufenthaltsqualität“ und Zugänglichkeit

Die Ausrichtenden fokussieren sich in eigenen Worten auf die „Aufenthaltsqualität“ der Besuchenden, dabei sei laut Berg diskutiert worden, wie Kunst ein Teil des Alltags werden könne. Einen Antwortansatz sehen die Beteiligten in der Bemühung, eine möglichst zugängliche Ausstellung zu präsentieren. Diese Zugänglichkeit spiegelt sich darin, dass die Videonale.19 barrierefrei ist. Außerdem können Kopfhörer, die für den Ton der meisten Installationen benötigt werden, auch von zu Hause mitgenommen werden. In sprachlicher Hinsicht wurde darauf geachtet, deutsche Untertitel einzubinden. Und um bei den schweren Themen und einer Fülle von zusammenwirkenden Sinneseindrücken nicht überfordert zu werden, haben die Ausrichtenden in diesem Jahr einen „Ort der Ruhe“ integriert. Des Weiteren finden sich verschiedene Sitzgelegenheiten.

Das begleitende Festivalprogramm verlässt die Grenzen der Ausstellung in Form von „Satelliten“, die unter anderem den Bonner Posttower oder das „King Georg“ in Köln miteinbinden. Und jugendliche Bonner bekommen laut Annette Ziegert, der neuen kuratorischen Leitung, die Möglichkeit Kunstschaffende zu interviewen. Das Festivalprogramm der Videonale.19 findet sich hier.

Festzuhalten ist, dass sich die Beteiligten reichlich Gedanken darüber gemacht haben, Kunst vermittelbar zu machen. Ob die Ansätze für mehr Zugänglichkeit der Ausstellung wirklich dabei helfen, mit Kunst den Austausch für eine breitere Masse anzustoßen, lässt sich am besten vor Ort, im Zeitraum vom 31. März bis 14. Mai, nachprüfen – zugänglich ist es ja.