Unseren Lieblings-Promis im Urlaub oder beim Abendessen über die Schulter schauen? Dank Instagram schon lange kein Problem mehr. Dass ein Politiker sich abseits von Schlagabtauschen und Wahlkampf-Parolen online von seiner persönlicheren Seite zeigt, ist allerdings nach wie vor eine Seltenheit – und auf einer Plattform wie Instagram vermutet man ihn wohl am wenigsten.
Von Victoria Schöndelen
Eine der wenigen Ausnahmen ist Lars Klingbeil von der SPD. Der Bundestagsabgeordnete ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und im Ausschuss für Digitale Agenda und belegt momentan Platz sechs der aktivsten Bundestagsabgeordneten auf Instagram. Und so postet er zwischen Hausbesuchen und Veranstaltungen in seinem Wahlkreis auch gerne einmal einen Schnappschuss vom Coldplay-Konzert, ein Foto nach der Joggingrunde oder sein Treffen mit der amtierenden Heide-Königin.

Als Netzpolitiker ist der 39-Jährige natürlich nicht nur auf Instagram unterwegs, sondern auf allen relevanten Social Media Plattformen vertreten. Welchen Beitrag er wo postet, ist dabei sehr wohl überlegt: Facebook ist das wichtigste Sprachrohr für seinen Wahlkreis im niedersächsischen Munster, in dem größten sozialen Netzwerk erreicht er die meisten Menschen vor Ort. Twitter ist für ihn ein „reines Berliner Bubble-Ding“, hier wendet er sich an Lobbyisten und Journalisten und weiß genau, was er werbewirksam twittern muss, damit wenig später sein Handy klingelt. Instagram ist hingegen die Plattform, auf der Klingbeil am liebsten Zeit verbringt. Er klickt sich selbst gerne durch die Feeds von anderen Nutzern und hat mindestens ebenso viel Spaß daran, eigene Schnappschüsse zu posten, um damit Einblicke in seine Arbeit als Politiker zu geben. Anders als beispielsweise bei Angela Merkel, deren Instagram-Profil von professionellen Fotografen bespielt wird, stammt alles, was Lars Klingbeil auf der Plattform veröffentlicht, von ihm persönlich. Nur zu seiner Facebook-Seite hat noch einer seiner Mitarbeiter die Zugangsdaten. Dies ist dem Anspruch geschuldet, seine Follower immer möglichst zeitnah auf dem Laufenden zu halten. Da er in seinem ländlichen Landkreis viel mit dem Auto unterwegs ist, bleibt häufig nur wenig Zeit, den letzten Termin Facebook-tauglich aufzubereiten. In solchen Situationen schreibt er die Texte zwar selbst, schickt sie allerdings an seinen Mitarbeiter weiter, der noch einmal gegenliest und den Post letztendlich online stellt. Das zweite Augenpaar hilft ihm auch beim Feedback seiner Community: Gerade bei Facebook herrsche laut Klingbeil eine Mentalität, sofort Antworten auf Kommentare haben zu wollen. Wenn man darauf nicht unmittelbar reagiere, wird man schnell angepöbelt. Darin sieht er auch einen weiteren klaren Vorteil von Instagram: Im Vergleich zu anderen Plattformen halten sich nervige Kommentare hier in Grenzen.
Nicht jede Kritik ist gleich Hetze

Vor einem waschechten Shitstorm, wie ihn schon andere Politiker erlebt haben, wurde Klingbeil bisher verschont. Allerdings gibt es auch auf seinen Social Media Profilen Kommentare, die er so nicht stehen lassen will: „Ich lösche bei Facebook und ich blockiere mittlerweile auch bei Twitter.“ Seine Ansicht zu diesem Thema hat sich in letzter Zeit verändert. Früher dachte er, Löschen sei Zensur, doch in Zeiten von Social Bots und Fake Accounts geht er nun rigoroser gegen unruhestiftende Trolls vor. Doch nicht jeder unangenehme Kommentar wird von Klingbeil gleich entfernt. So gibt es durchaus auch konstruktive Kritik, die ihn vielleicht im ersten Moment treffen mag, aber dann doch zum Nachdenken angeregt – selbst wenn der Verfasser sich etwas im Ton vergreift. Allerdings ist Klingbeil im Umgang mit Hass-Kommentaren nicht immer so souverän, wie er es gerne sein würde. Manche Beiträge nimmt er sich sehr zu Herzen, andere will er partout nicht auf sich sitzen lassen. Wenn er die Nummer des pöbelnden Users herausfinden kann, greift er auch gerne einmal zum Hörer und stellt ihn zur Rede. In den meisten Fällen verlaufen diese Gespräche sogar sehr positiv, denn wie so oft sind die Menschen im persönlichen Diskurs kleinlauter als in der anonymen Welt des Internets. In extremen Fällen würde er sich dennoch vorbehalten, strafrechtlich gegen Nutzer vorzugehen. Auch politisch setzt sich Klingbeil gegen Hetze im Netz ein und ist Verfechter des geplanten und heiß diskutierten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das Facebook und andere Plattformen zu einem zügigen und gründlichen Löschen von Hate Speech verpflichten will.
Die Themen Social Media und Digitalisierung sorgen nicht nur in den letzten Zügen der aktuellen Legislaturperiode für Wirbel, sondern spielen auch im aktuellen Wahlkampf für Klingbeil eine zentrale Rolle. Als Sozialdemokrat steht für ihn dabei das Thema Arbeitsmarkt ganz oben auf der Agenda. Hier kämpft er schon seit Jahren gegen die populäre Panikbetrachtung, die Leute würden in naher Zukunft ihre Jobs an Handy-Roboter verlieren. Diese Automatisierung wird kommen, davon ist er überzeugt – doch seiner Meinung nach sollte man sich nicht dagegen sperren. Stattdessen muss man den Leuten die Ängste und Sorgen nehmen: „Man muss sich doch heute einfach einmal hinsetzen mit den Leuten und sagen: Passt auf, es wird sich was tun. Ihr werdet vielleicht Arbeitsplätze verlieren, aber die Arbeit an sich geht nicht aus.“ Deswegen will die SPD eine Infrastruktur aufbauen, die die Leute in Arbeit hält, dazu müssen die Leute aber den Weg der Veränderung gehen und bereit für Weiterbildungen sein. In Deutschland herrsche leider eine Mentalität, die Probleme solange verweigert, bis sie direkt vor der Tür stehen. Man müsse sich deshalb schon heute mit dem Gedanken befassen, was zum Beispiel aus der Taxi-Branche werden soll, wenn in naher Zukunft die Autos selbst fahren können oder wie es in ein paar Jahren um Dolmetscher steht, wenn jeder Text durch eine Übersetzungsprogramm gejagt werden kann.
Social Media im Wahlkampf

Doch nicht nur die überzeugendsten Programmpunkte der verschiedenen Parteien werden über den Ausgang der Wahl im September bestimmen. Klingbeil ist sich sicher: „Die Bundestagswahl wird über Social Media entschieden“. Früher waren Accounts für die meisten Politiker eine nette Spielerei, heute sind sie ein wichtiger Faktor für potentielle Wähler, da über soziale Netzwerke Stimmung produziert wird. Als aktuell vielleicht etwas ungünstiges Beispiel nennt Klingbeil die professionelle Social Media Kampagne von Martin Schulz, die anfangs tatsächlich einen großen Hype um den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten ausgelöst hat. Auch Klingbeil selbst steckt derzeit mitten im Wahlkampf. Er steht auf dem siebten Platz der niedersächsischen Landesliste und hat somit gute Chancen, auch im nächsten Bundestag vertreten zu sein. Dafür braucht es aber natürlich ein engagiertes Team, das ihn bei seiner Kampagne unterstützt. Hier kann er von seinen verschiedenen Social Media Kanälen profitieren und holt die Leute aus der Online- in die Offline-Welt: Viele Menschen, die ihn unterstützen wollen, sind über Facebook und Co. auf ihn aufmerksam geworden. Neulich hat er bei Instagram die Einrichtung seiner Wahlkampfzentrale gepostet – natürlich mit einem coolen Time-Laps-Video.
Wer bei dem spannenden Thema Digitalisierung im aktuellen Wahlkampf und darüber hinaus auf dem neusten Stand bleiben möchte, kann Lars Klingbeil ja einfach bei Facebook folgen – und für die etwas ungewöhnlicheren Einblicke in das Leben eines Politikers natürlich auch bei Instagram.