Kultur Theater Theater

Theater Review: Wie „Stück Plastik“ von Theater Rampös in der Beueler Brotfabrik ankam

Die Komödie nach Marius von Mayenburg wurde vom 11. bis 14. Oktober in der Beueler Brotfabrik aufgeführt. In der Content Note weist Theater Rampös auf die „verstörenden Themen: Sexismus, Gewalt, psychische Gesundheit und Rassismus“ hin. Kann das Publikum hier noch lachen?

Von Gerriet Scheben

Premierenabend. Ein gut gefüllter Raum mit vorfreudiger Stimmung. Auf der Bühne stehen ein biedergrünes Sofa inklusive Beistelltischchen und ein förmlich gedeckter Tisch, auf dem eine Schale mit Äpfeln platziert wurde. Kleine Plastikäpfel, Äpfel-Äpfel. An den Seiten der Bühne hängen Tapetenstreifen herunter, auf denen Hand- und Fußabdrücke zu sehen sind – ein roter Vorhang versperrt die Sicht auf den Rest der Vorführfläche.

Der Vorhang enthüllt eine Mischung aus Hausinnerem, mit einem Kinderzimmer im oberen Stock, das auf einem Gerüst suggeriert wird, sowie eine Kunstwerkstatt. In dem Kinderzimmer hängt ein Flugzeug über dem Bett, so ausgerichtet, als befinde es sich im Sturzflug. In der unteren Etage gibt es ein uneinsichtiges „Badezimmer“. Zwei Mannequins sind im Hintergrund mit allem Möglichen behangen. Die relevante (?) Hochkultur Theater lacht damit über die nicht relevante (?) Hochkultur Kunst und landet damit im Reichweitengiganten medienblick.

Eine Familie kämpft mit ihren Traumberufen

Stück Plastik lässt ein spießbürgerliches Ehepaar rückblickend die Geschichte von der Kündigung ihrer nicht europäisch gelesenen Haushaltshilfe Jessica (Lucky Setyarini) erzählen.

Künstlerin und Ehefrau Ulrike (Simone Nowotny) kommt mit dem „Aufeinanderprallen von Anspruch und Realität“ und ihrem eigenwilligen Chef Haulupa (Alexander Bluhm) nicht klar. Ihr Anspruch ist Kunst zu schaffen, die Realität ist eine Affäre mit ihrem Chef gehabt zu haben.

Der verklemmte Arzt Michael (Jan-Hendrik Schrötter) hat die Zusage von Ärzte ohne Grenzen, in Afrika helfen zu können. Das ist sein Traumjob, da er über die Arbeit im Ausland verhindern möchte, dass „Deutschland als Wartezimmer der ganzen Welt“ missbraucht wird. Friedrich Merz dürfte großer Fan von Michaels Ambitionen sein.

Ein Sohn, der filmt, was er nicht filmen soll

Der Sex der Eheleute wird als „langweiligere Masturbation“ beschrieben. Die beiden ergänzen übergriffig die Sätze des jeweils anderen, verstricken sich in Missverständnissen und machen ihr Leben durch Alkohol und Smartphones erträglich.

Vincents Schaulust ist geweckt. Foto: Klaus Rosen

Mit ihrem Sohn Vincent (Tom Bierwirth) sind die Verheirateten überfordert. Sie können ihm das ständige Filmen von Situationen – die man nicht filmt – nicht mehr abgewöhnen. Vincent filmt zum Beispiel Jessica, während sie ein Bad nimmt. Das „Badezimmer“ wird währenddessen mit Nebel und prasselnden Geräuschen unterlegt. Jessica soll vor der Arbeit bei der Familie duschen, damit ihr Geruch Ulrike nicht belästigt. Das sagt sie Jessica aber nicht selbst, sondern lässt es den Gatten umständlich über eine medizinische Annäherung an das Konzept Schweiß an Jessica herantragen.

Ein Künstler, der gerne wie Jonathan Meese wäre

Der verschrobene und vom Zynismus zerfressene Künstler Haulupa erntet vermutlich die meisten Lacher des Abends. Haulupa sei natürlich nur ein Künstlername, der bürgerliche Name laute Jonathan Meese. Direkt von der Haltung seines Namensvetters abgeschaut, der sich eine „Diktatur der Kunst“ wünscht, stellt Haulupa die Kunst über alles. Dabei ist er ein rassistisches, sexistisches, gewaltsames Arschloch mit Depressionen, die er nicht anerkennt, da sie uncool seien.

Der Künstler Haulupa strapaziert den Haussegen. Foto: Klaus Rosen

Er könne nur mit attraktiven Frauen sprechen und zusammenarbeiten und finde Jessica als Muse inspirierend. Für seine Muse baut er einer Installation namens „Drecksschleuder“, die einen gespreizten Anus präsentiert und dreckige Wäsche im Haus umherschießt. Die Antwort auf die Frage, warum Jessica putze, beantwortet sich Haulupa mit einem Auswurf an Überhöhungen selbst.

Eine Haushaltshilfe, die sympathisch ist

Jessica sorgt mit ihren trockenen Reaktionen auf die umständliche und weltfremde Art der Familie mit Künstlern im Gepäck für viele Lacher. Die Pragmatik und fähige Art der Figur stehen dabei in einem Kontrast zu den europäisch gelesenen Figuren aus der Oberschicht, die zwischenmenschlich scheitern. Stück Plastik mahnt damit an das Theater nicht überzuinterpretieren, um nicht den gleichen Fehler wie die Familie auf der Bühne zu begehen.

Das Stück gerät stellenweise etwas flach und grob, gerade in Fragen der Identitätsfindung des Sohns und der finalen Einbindung des Publikums. Das darf es als Komödie aber auch. Sehr schön gelingt die Aufarbeitung der europäischen Oberschicht, die sich zwischen Selbstzufriedenheit und Menschenfeindlichkeit bewegt, wobei kein Raum für einen Austausch bleibt.

Die Darstellenden spielen alle hervorragend (!) und gehen in ihren Rollen überzeugend auf. Andrea Bühring und Katrin Schüring gelingt eine, für Theater Rampös Verhältnisse, ruhigere Inszenierung, die ihr Publikum zum Lachen bringt. Komödie geglückt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert