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Steffen Seibert: Der etwas andere Regierungssprecher

Er ist der Mann im Hintergrund: Regierungssprecher Steffen Seibert. Seit 2010 ist er der das Sprachrohr von Kanzlerin Angela Merkel und informiert Medien, Politiker und Gesellschaft über Themen der Politik. Doch wer ist der Mann an der Seite der Kanzlerin? Und was hat er in seiner Zeit als Regierungssprecher bis jetzt bewegt?

Im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) herrscht ständiger Trubel. Täglich und rund um die Uhr müssen Medien, Bürger und Mitarbeiter der Bundesregierung über Fakten, Maßnahmen, Gesetze und vieles mehr informiert werden. Denn wer sich „politisch beteiligen oder entscheiden will, muss über Politik Bescheid wissen“, ist sich das BPA sicher. Um dies zu gewährleisten beobachten rund 400 Mitarbeiter, 24 Stunden am Tag die weltweiten Meldungen auf unterschiedlichsten Medien. Zusätzlich werden diese Meldungen gefiltert, zusammengefasst und weitergeleitet. Diese Weiterleitung findet auf unterschiedlichsten Wegen statt. Ob auf der dreimal wöchentlich stattfindenden persönlichen Bundespressekonferenz, via klassischen Broschüren oder gar via neuen Sozialen Medien.

Trotz dieses Trubels muss einer den Überblick behalten – der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert (57). Doch wer ist Steffen Seibert eigentlich? Wie viele seiner Vorgänger hat auch Seibert erste Erfahrungen bei den öffentlich-rechtlichen Medien gesammelt. So begann er nach seinem Geschichts-, Literatur und Rechtstudium 1988 als Volontär beim ZDF. Dort war er unter anderem als Redakteur und Auslandskorrespondent für das ZDF in Washington tätig. 1995 verlagerte sich die Rolle des Journalisten Seibert. Er wechselte vor die Kamera. So moderierte er bis 2010 diverse Sendungen wie das ‚ZDF-Morgenmagazin‘, die ‚heute-Nachrichten‘ und das ‚heute journal‘. Im August 2010 endete jedoch seine Karriere beim ZDF, da Merkel ihn zum Bundespressesprecher ernannte. Für viele kam diese Entscheidung der Kanzlerin überraschend, war man sich der engen Verbindung zwischen Merkel und Seibert doch gar nicht bewusst. Kritiker äußerten zudem Bedenken darüber, ob Seibert der passende ‚Verkäufer der Politik‘ für die eher schweigsame Kanzlerin sei.

Seibert und die Journalisten

Denn anders als der vorherige Bundespressesprecher Ulrich Wilhelm, welcher sich selbst ein eigenes Profil neben der Kanzlerin schaffte, blieb Seibert von Anfang an lieber im Hintergrund. Kaum etwas Persönliches ist über ihn bekannt und scherzhaft wird häufig über ihn gesagt, seine Maxime sei ‚Alles wissen, alles erfahren, nichts sagen‘. In diesem Punkt, so wie in vielen weiteren ähneln sich Merkel und Seibert sehr stark. Merkel steht für Seriosität und Verantwortungsbewusstsein und Seibert als ihr verlängerter Arm nimmt eine ähnliche Position ein. Für viele Journalisten ist diese Haltung enttäuschend und schwierig. So wetterte Journalist und Korrespondent bei der ‚Leipziger Volkszeitung‘ Dieter Wonka einmal: „Er passt zu Merkel wie die Faust aufs Auge. Er hat ihr absolutes Vertrauen, weil er verlässlich die Schnauze hält“. Diese Wirkung auf Journalisten wird auch immer wieder bei der wöchentlichen Bundespressekonferenz deutlich. Ruhig und selbstbewusst betritt Seibert den Raum, setzt sich und verschränkt seine Hände ineinander. Diese abwehrende Position behält er bis zum Ende der Konferenz bei. Auf Fragen reagiert Seibert ganz ähnlich wie sein Kollege Martin Schäfer, Sprecher des Auswärtigen Amtes. Fragen der Journalisten lassen sie beide abtropfen, darauf bedacht, Themen möglichst schnell abzuhandeln. Ab und zu spielen sie sich ein paar Fragen zu und ein kleinerer Schlagabtausch entsteht. Jedoch immer mit dem Ziel, kaum nähere Informationen herauszugeben oder zu Themen genauer Position zu beziehen. Man hat das Gefühl, Seibert stecke noch immer in seiner Rolle als Nachrichtensprecher: die Informationen werden präsentiert, Nachfragen gibt es nicht. Journalisten beißen sich so die Zähne an Seibert aus. Ins Auge sticht nur ein Journalist, welcher trotz abschmetternder Antworten immer wieder nachhakt – Tilo Jung. Er ist auch der Grund weshalb Seibert ein einziges Mal aus seiner seriösen, abgeklärten Rolle fiel. 2015 scherzte Seibert zusammen mit seinem Kollegen Schäfer über einen rosa Pullover von Tilo Jung. Dabei bedachten sie nicht, dass das Mikrofon schon an war. Seibert ist jedoch ganz Profi und geht souverän zur Tagesordnung über.

Was jedoch von den einen als Arroganz gegenüber Journalisten und als Unterwürfigkeit gegenüber Merkel gewertet wird, ist für die anderen ein Zeichen von uneingeschränkter Loyalität und Hingabe. Denn Seibert ist immer perfekt vorbereitet und recherchiert kritische Themen sogar noch während der Konferenz um möglichst schnell antworten zu können. Auch ‚Zeit‘-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, mit welchem Seibert in Hannover die Schule besuchte, wurde mit diesem Perfektionismus und dieser scheinbaren Mühelosigkeit konfrontiert. So zitierte der Tagesspiegel di Lorenzo mit den Worten: „Für mich war er die Verkörperung von Gustav Gans. Egal, was er machte, es gelang ihm“. Mit seiner ernsten, zuverlässigen und fleißigen Art verkörpert Seibert somit einen typischen Deutschen wie er im Bilderbuch steht. Doch Steffen Seibert hat auch eine andere, innovative und mutige Seite. Denn ihm verdankt das BPA die Revolution seiner Kommunikationswege.

Revolution im Bundespresseamt

Mit Seibert als Regierungssprecher wurden vor allem Social Media wie Twitter für das BPA interessant. Seibert selbst war nicht immer ein Verfechter von Sozialen Medien und schlug bis vor wenigen Jahren noch einen kritischeren Tonfall an. So äußerte er einmal, dass er in dem Medium Twitter keinen Sinn sehe und es seiner Meinung nach „eine Anbiederung an das junge Publikum“ sei. Seit 2010 gibt es jedoch einen neuen Kurs des BPA. So vertritt Seibert nun öffentlich die Meinung, dass Soziale Medien zwar eine wichtige, jedoch eingeschränkte Rolle für die Regierung spielen würden. „Der Dialog mit Bürgern im Internet sei wichtig, aber die Öffentlichkeit im Internet sei eben auch nur ein Teil der gesamten Öffentlichkeit“, sagte er auf der Digital-Life-Design (DLD) 2016. Insgesamt investierte das BPA nach Recherchen der FAZ so rund 200.000 Euro in das neue Social-Media-Konzept auf Facebook, Twitter & Co.

Seibert selbst führt seit Januar 2011 einen Twitter-Account unter dem Namen @RegSprecher. Dort informiert er teilweise selbst, teilweise mithilfe seiner Mitarbeiter seine heute rund 770.000 Follower über die neusten Geschehnisse in der Politik. Laut Recherchen der Zeitschrift ‚Spiegel‘ steht Seiberts Twitter-Account dabei an der Spitze der von Bundestagsabgeordneten gefolgten Accounts. Diese Begeisterung schlug Seibert jedoch nicht von Anfang an entgegen. So wurde er nach seinem Auftritt auf der Digitalmesse ‚republica‘ 2012 in Berlin teilweise mit dem Vorwurf konfrontiert er erkläre die „Regierungspolitik nun auf 140 Zeichen“. Seibert selbst antwortete daraufhin nur kess, man „sollte in Sachen Modernität nicht allzu weit [hinter den Vatikan] zurückfallen“. Und die Zeit gab Seibert Recht. In diesem Jahr traten bereits drei Politiker auf der ‚republica‘ in Berlin auf und diskutierten über Politik und Digitalisierung. Zudem hat heute beinahe jeder Politiker ein Profil auf Sozialen Medien. Man sollte den zurückhaltenden, ernsthaften und konservativen Steffen Seibert somit nicht unterschätzen, denn in dem was er macht ist gut, sehr gut sogar und teilweise fortschrittlicher als manch einer denkt. Vielleicht ist er eben doch ein bisschen wie Gustav Gans.

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