Aktuelles Gesellschaftsleben

Sonderausgabe Berlin-Exkursion: Instagram goes Amazon?

Das Bestell- und Bezahltool Checkout on Instagram soll die Plattform auf das nächste Level des Social Commerce katapultieren. Nervige Kommerzialisierung sozialer Plattformen? Oder ein von Nutzer und Nutzerinnen gewünschte erleichtertes Shoppingerlebnis? Und was bedeutet das für Amazon, nachdem der Onlinehändler gerade seine dem Social Network vergleichbare Funktion Amazon Spark dichtgemacht hat? Beim Facebook-Besuch in Berlin war das neue Feature auch Gesprächsthema.

Instagram ist schon lange keine kreative Bilder-Plattform mit diversen Momentaufnahmen mehr, sondern wandelt sich mit Shoppable Posts, personalisierten Ads im Feed und in Stories sowie Influencer-Marketing immer mehr zur Shopping-Plattform. Auch Pinterest ist vorheriges Jahr mit seinen ,Shop the Look‘-Pins einen Schritt in Richtung E-Commerce gegangen. Jetzt soll auf Instagram mit einer integrierten Bestell- und Bezahlfunktion ‚Checkout on Instagram‘ das In-App-Shopping perfektioniert werden.

Von der Konsuminspiration zum Geschäft

Bei einer Milliarde weltweit aktiver Nutzer und Nutzerinnen folgen rund 80 Prozent – laut eigenen Angaben von Instagram – einem Unternehmen mit Businessprofil auf der Plattform. Das Interesse am Instagram-Shopping ist also vorhanden. Seit gut einem Jahr können Nutzer und Nutzerinnen in Deutschland über die in den Bildern integrierte Shop-Funktion, erkennbar durch das Einkaufstaschensymbol, direkt getaggte Produkte ansehen und auf die Seite der Verkäufer weitergeleitet werden.

Auch weitere E-Commerce Elemente gibt es schon. Marken haben einen eigenen Bereich im Unternehmensprofil unter ‚Shopping‘, im Explore Bereich kann man die Option ‚Shop‘ auswählen und auch in Stories wurde die Shopping Funktion per ‚Swipe Up‘ integriert. Es wird also für Nutzer und Nutzerinnen immer einfacher, Produkte über die Plattform zu entdecken und dann auch zu kaufen. Mit der Einführung des neuen Checkout-Tools macht das Facebook-Tochterunternehmen das umstandslose In-App-Shopping möglich. Das Ziel dabei: die User möglichst lange in der eigenen Anwendung halten und sich durch die Funktion eine weitere Einnahmequelle schaffen.

Jim, Colourful shopping carts, CC BY-SA 2.0
Jim, Colourful shopping carts, CC BY-SA 2.0

Das Rundumpaket auf Instagram

Während die Käuferin oder der Käufer vorher durch das Auswählen der Produktinfo eines Shopping-Posts auf die Website des entsprechenden Verkäufers geführt wurde, ermöglicht die Checkout-Funktion die Produkte nicht nur über Instagram zu finden, sondern auch die Kaufabwicklung direkt in der App zu tätigen. So spielt sich die komplette Customer Journey – von der Inspiration bis zum Kauf – auf Instagram ab. Die Funktion wird in den USA in einer Beta-Version mit 23 Marken getestet, so unter anderem mit Adidas, Nike, Prada, Dior und Zara. Wann die Funktion weiter ausgebaut und international verfügbar sein wird, ist noch nicht klar.

Die Checkout-Tags erscheinen in Feed-Posts, Stories und Explore-Inhalten der Marke. Wenn User auf den Beitrag tippen, um Produktkennzeichnungen anzuzeigen und zu öffnen, sehen sie anstelle der Schaltfläche ‚Auf Website anzeigen‘ die Option ‚Checkout with Instagram‘. Dann heißt es ganz einfach: Farbe und Größe auswählen, Lieferadresse und Zahlungsinformationen eingeben und Ware bestellen. Die Informationen werden für spätere Einkäufe gespeichert und die Bestellung wird über die App verwaltet, sodass die Sendung der Lieferung über Instagram verfolgt oder storniert werden kann und Benachrichtigungen zu der Lieferung auch über die App erfolgen.

Impulskäufe statt gezieltes Bestellen

"Amazon Spark" (CC BY 2.0) by Cerillion
“Amazon Spark” (CC BY 2.0) by Cerillion

Großes Potenzial und einen entscheidenden Vorteil gegenüber Amazon hat die Erweiterung der Shopping-Möglichkeiten auf Instagram vor allem dahingehend, dass sie nicht auf spezifische Käufe ausgerichtet ist, sondern vielmehr vom ‚Discovery Shopping‘ lebt. Man kann es mit den spontanen, ungeplanten Impulskäufen vergleichen, die man sonst nur beim Schlendern durch die Einkaufsstraße tätigt und die Beiträge sind die virtuellen Schaufenster. Die Lust etwas zu kaufen entwickelt sich eher passiv und ungezwungen.

Bei Amazon werden eher gezielte und weniger spontan inspirierte Käufe getätigt. Auch wenn laut einer Umfrage von Piper Jaffray die Hälfte der Milliennials Amazon als Shopping Website präfieren, könnte Instagram in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Mit dem Feature Amazon Spark hat Amazon im Sommer 2017 versucht eine Art soziales Netzwerk für Prime-Kunden aufzubauen – dies sah Instagram optisch sehr ähnlich – und so das „Discovery Shopping“ auch auf Amazon großzumachen. So konnten Prime-Mitglieder bei Spark Interessen und Vorlieben angegeben und haben dann in einem Feed Produktbilder von anderer Nutzer und Nutzerinnen angezeigt bekommen – die getaggten Amazon-Produkte konnten dann natürlich auch direkt gekauft werden.

Amazon Spark – der Funke sprang nicht über

So ganz ist das Konzept aber nicht aufgegangen, denn seit Mitte Juni gibt es die Funktion nicht mehr. Ganz trennen von einer bildgeprägten Funktion will sich Amazon aber nicht: mit den Seiten #FoundItOnAmazon oder Interesting Finds werden Kunden neue Produkte in einem Bilderstream vorgeschlagen. Aber warum hat Spark nicht gezündet? Es könnte einerseits daran liegen, dass bei Spark der Fokus rein auf Kauf und Verkauf lag, während bei Instagram Freunde, Influencer und Marken sowie das Teilen von Lifestyle und Erlebnissen die Gesamterfahrung des Netzwerks ausmachen und der Shopping Faktor hier reibungslos hineinintegriert wird.

Mehr Verkaufspotential, aber weniger Daten für Unternehmen

Today Testing (for derivative), Instagram marketing strategy, CC BY-SA 4.0
Today Testing, Instagram marketing strategy, CC BY-SA 4.0

Ganz klar: vor allem der Facebook-Konzern profitiert von dem neuen Shopping-Feature. Nicht nur verbringen Instagram Nutzer und Nutzerinnen mehr Zeit in der App, auch kann Facebook verstärkter Daten über die Konsumgewohnheiten der Nutzer und Nutzerinnen sammeln und erhält außerdem noch eine Verkaufsgebühr von den Unternehmen.

Aber auch die Unternehmen profitieren, auch wenn sie sich ein Stück weit von Instagram abhängig machen. Durch die Vereinfachung der zu betätigten Schritte vor dem Kauf kann die Motivation einen Kauf abzuschließen gesteigert werden und die Gefahr des Absprungs verringert sich. Auf der Facebook F8-Entwicklerkonferenz Ende April wurde zudem verkündet, dass es in Zukunft auch für Influencer möglich sein wird Produkte in Posts zu taggen. Dies pusht in Kombination mit der Checkout-Funktion die Bedeutung des Influencer-Marketings.

Außerdem ist der Checkout auch ideal für Startups, die keinen eigenen Shop betreiben. Da alles über Instagram läuft, könnte jedoch die Kundenbindung verloren gehen, da die Marken zu reinen Lieferanten werden. Auch werden nur die nötigsten Kundendaten von Instagram an die Unternehmen weitergegeben.

Bald mit Facebook-Währung auf Instagram bezahlen? 

"Facebook" (CC BY 2.0) by stockcatalog
“Facebook” (CC BY 2.0) by stockcatalog

Es bleibt abzuwarten, wie die User das Tool annehmen – wird es nur als Ergänzung zu anderen Online-Shopping-Angeboten gesehen oder ersetzt es irgendwann gänzlich die etablierten Online-Shops? Auch könnte Instagram Gefahr laufen Nutzer und Nutzerinnen zu verlieren, wenn die Anwendung zum reinen Werbekanal mutiert. Die Mischung von Shopping und Inhalten muss intakt sein, um als soziales Netzwerk attraktiv zu bleiben. In jedem Fall wird Instagram zur aktiven E-Commerce beziehungsweise, wenn auch Influencer beteiligt sind, zur Social-Commerce-Plattform, die deswegen so fruchtbar ist, weil sie direkt an das alltägliche Nutzerverhalten anknüpft. In der Zwischenzeit plant Facebook 2020 die Einführung einer eigenen weltweiten digitalen, privaten Währung auf Basis von Blockchain-Technologie mit dem Namen ‚Libra‘, mit der Überweisungen direkt im Messenger oder über WhatsApp möglich sein sollen. Der Libra-Wert soll jedoch an den Euro und andere Währungen gekoppelt sein. Eine Entwicklung, die von Finanzexperten kritisch beobachtet sowie kommentiert wird und die Forderung nach Regulierungen laut werden lässt. So könnte der Facebook-Konzern nicht nur im Onlinehandel, sondern auch in der Finanzwelt ein einflussreicher Akteur werden und es mit der etablierten Finanzbranche aufnehmen. Aufgrund vergangener Datenschutzskandale besteht Skepsis über die mögliche Verknüpfung von Nutzerprofilen mit finanziellen Transaktionen, die dem Konzern noch mehr Überwachungsmacht ermöglichen würde. Ob die Vision der digitalen Weltwährung aufgrund mangelndem Vertrauen der Gesellschaft gegenüber Facebook scheitert oder ob bald die digitale Revolution mit einem alternativen Finanzsystem eingeläutet wird? Angesichts des Machteinflusses, den das soziale Netzwerk mit der Digitalwährung bekommen könnte, bleibt zu hoffen, dass die Verbindung von ‚Libra‘ zum Namen Facebook die Währung scheitern lässt.

 

 

 

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