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Sonderausgabe Berlin-Exkursion: Braucht Deutschland ein Digitalministerium? – Das sagen die Netzpolitiker aus CDU, SPD und Grünen

Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, E-Government – Digitalpolitik ist aktuell in voller Munde und die Liste an relevanten Themen ist lang. Wirtschaftsverbände, Start-ups und weitere Akteure fordern daher ein eigenes Digitalministerium, das sich dem Zukunftsthema annimmt. Ist es das, was Deutschland braucht? Wir haben die digitalpolitischen Sprecher aus drei Parteien befragt.

von Jana Potthoff

Deutschland trottet der Digitalisierung hinterher

Der Vorwurf ist nicht wirklich von der Hand zu weisen: Deutschland, ehemals Vorreiter in Sachen Technologie, hinkt beim Thema Digitalisierung hinterher. Während Algorithmen und digitale Prozesse den Alltag bereits völlig durchdringen, müssen sich die Deutschen mancherorts noch immer mit Funklöchern und schlechtem Internetempfang herumschlagen. Statt Behördengänge online zu erledigen, stehen die Bürger weiterhin auf dem Amt in der Schlange und verlieren Zeit und Nerven. In der Wirtschaft wird die fehlende Innovationskraft bemängelt – aber wer sein Unternehmen heutzutage digital aufstellen will, findet keine international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen vor.

 Woran liegt es, dass Deutschland bei dem so wichtigen Thema keinen richtigen Anschluss findet? Kritiker sind der Meinung, dass digitale Zuständigkeiten auf zu viele einzelne Ministerien aufgeteilt sind und es dem Thema so an Aufmerksamkeit und Durchsetzungskraft fehlt. Im Gegensatz dazu könnte ein Digitalministerium die verschiedenen Aufgaben bündeln, koordinieren und mit klaren Kompetenzen und einem entsprechenden Budget angehen. Andere Länder wie Österreich, Frankreich oder Großbritannien haben sich bereits für diesen Weg entschieden und ein Digitalministerium eingeführt. Auf Landesebene waren Bayern und Hessen Ende letzten Jahres die ersten Bundesländer, die das Thema Digitalisierung in einem eigenen Ministerium verortet haben.

Und wie sieht es auf Bundesebene aus? Wäre ein Digitalministerium das Erfolgsrezept für ein digitales Deutschland? Mit Blick auf die politische Parteienlandschaft bezieht vor allem die FDP eine klare Haltung: Mit dem Slogan „Digital first. Bedenken second“ schrieb sie sich das Thema im letzten Bundestagswahlkampf auf die Fahne und forderte, Digitalisierung an erste Stelle zu setzen. Dazu gehört für die FDP auch ganz klar ein eigenes Digitalministerium, das die Federführung in Sachen Digitales übernimmt. Mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde diese Forderung allerdings nicht erfüllt. Stattdessen gibt es mit der CSU-Politikerin Dorothee Bär nun eine Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt, die die Digitalpolitik der verschiedenen Ministerien koordinieren und dem digitalen Wandel ein Gesicht geben soll. Eine große Anzahl an Mitarbeitern oder ein bedeutsames Budget werden ihr dafür jedoch nicht eingeräumt.

Wie stehen die anderen Parteien zur Idee eines Digitalministeriums? Auf unserer Berlin-Exkursion mit dem Masterstudiengang Medienwissenschaft der Universität Bonn haben wir mit drei Digitalpolitikern aus CDU, SPD und Grünen gesprochen und sie zu dem Thema befragt.

Tankred Schipanski, netzpolitischer Sprecher der CDU (Foto: Tobias Koch)
Tankred Schipanski, netzpolitischer Sprecher der CDU (Foto: Tobias Koch)

„Jeder Minister ist auch ein Digitalminister“

CDU-Politiker Tankred Schipanski reagierte auf unsere Frage nach einem Digitalministerium gleich mit einer Gegenfrage: „Was wollen Sie denn zum Beispiel aus dem Bildungsbereich und dem Wirtschaftsbereich rausnehmen und in das Digitalministerium rüberziehen?“ Kein Problem, denken wir uns! Geben Sie uns einen Tag Brainstorming und wir malen Ihnen ein tolles Ministerium. Aber bei näherer Betrachtung ist die Frage nicht unberechtigt: Digitalisierung betrifft jeden Lebensbereich, wie Bildung, Arbeit, Gesundheit, Wirtschaft und so weiter. Möchte man beispielsweise digitale Lernsoftware entwickeln, sollte man nicht nur Digitalexperte sein, sondern auch über pädagogisches Fachwissen verfügen. Für den Ausbau von Digital Health sollte man sich dagegen gut im Gesundheitssystem auskennen. Wie soll ein einziges Digitalministerium all diese Fachkompetenzen abdecken? „Wir haben uns bei der Regierungsbildung gegen ein Digitalministerium entschieden, weil jeder Minister auch ein Digitalminister ist. Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie, daher sollten wir es auch erstmal in den entsprechenden Kompetenzfeldern lassen“, erklärt Schipanski.

SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann (Foto: Marlene Bleicher)
SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann (Foto: Marlene Bleicher)

„Die Forderung ist zwar sexy, macht aber gar keinen Sinn“

Jens Zimmermann, netzpolitischer Sprecher der SPD, positioniert sich ebenfalls klar gegen ein Digitalministerium: „Ich bin jemand der da eigentlich nichts von hält. Die Forderung ist zwar sexy, die kann man mit Schwarz-Weiß-Fotos im Unterhemd untermauern und alle denken, Sie haben Ahnung von Digitalisierung. Aber wie soll das funktionieren, nehme ich dann aus allen Ministerien die Kompetenz für Digitalisierung heraus? Oder haben wir dann Doppelstrukturen? Das macht gar keinen Sinn.“ Zimmermann bezieht sich damit auf die Wahlkampfkampagne der FDP, in der Christian Lindner in weißem T-Shirt und Schwarz-Weiß Optik für ein Digitalministerium wirbt. Im Gegensatz zu Lindner hält Zimmermann nichts davon, einzelne Kompetenzen aus den verschiedenen Ministerien herauszulösen. Mittlerweile hätten die Ministerien auch alle verstanden, was für ein großes Thema die Digitalisierung ist.

Tabea Rößner von den Grünen (Foto: Büro Rößner)
Tabea Rößner von den Grünen (Foto: Büro Rößner)

„Es muss auch eine Koordination des Ganzen geben und das funktioniert aktuell nicht“

Warum Verantwortung bündeln, wenn sie eigentlich jeder übernehmen sollte? Diese Frage stellt sich auch Tabea Rößner, netzpolitische Sprecherin der Grünen: „Ich war eigentlich immer gegen ein Digitalministerium, weil es wichtig ist, dass sich jedes Ministerium mit der digitalen Seite ihrer Themen auseinandersetzt. Aber es muss auch eine Koordination des Ganzen geben und das funktioniert aktuell nicht. Ich weiß nicht, ob ein Digitalministerium deshalb vielleicht besser wäre.“ Als Staatsministerin für Digitales kommt Dorothee Bär am ehesten die Rolle der Koordinierung zu. Um diese aber richtig auszuführen, fehle es der CSU-Politikerin an Geld, Mitarbeitern und Macht. „Doro ist ein bisschen der Glamour-Faktor, aber man bräuchte jemanden, der das Thema wirklich zur Chefsache macht“, so Rößner.

Also doch eine*n Digitalminister*in? Tankred Schipanski schließt dies für die Zukunft immerhin nicht aus: „Vielleicht ist die Sache ja in der nächsten Legislaturperiode reif.“ Bis dahin soll beobachtet werden, wie die einzelnen Ministerien und auch die Bundesländer das Thema angehen. In der Zwischenzeit finden ja auch noch mehrere Landtagswahlen statt, bei denen sich vielleicht neue Lösungsansätze ergeben werden.

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