Bandfoto ROVAR
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Rock-Band aus dem Homeoffice? Eine Reportage.

Die Corona-Pandemie war und ist für die ganze Welt eine Ausnahmesituation. In Deutschland versucht die Politik, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, indem sie das gesellschaftliche Leben deutlich einschränkt. Darunter leiden viele – auch die Musikbranche und mit ihr die aufstrebende Rock-Band „ROVAR“. Eine Reportage über Zusammenhalt, Zukunftsängste und Meilensteine.

Von Katrin Fuchs.

12. März 2020: Es ist eng im Auto. Drei junge Männer sind auf dem Weg nach Bochum. Im Kofferraum liegt ein Schlagzeug, auf der Rückbank eine Gitarre und ein Bass. Die Stimmung ist ausgelassen. Die drei sind auf dem Weg zum Live-Club „Die Trompete“. Dort soll heute das Auftakt-Konzert ihrer ersten Tour stattfinden. Doch am Club angekommen, werden sie abgewiesen. Das Konzert könne nicht stattfinden: Corona-Auflagen, heißt es vom Veranstalter. Statt der ersten Tour folgt der erste Lockdown und auf einmal hat die Band mit völlig neuen Herausforderungen zu kämpfen. 

Die Band – das sind Bennet, Luca und Paul: Drei Männer Mitte Zwanzig, die als Rock-Band „ROVAR“ seit 2018 zusammen Musik machen. Dass Corona nicht nur die Musik-, sondern die gesamte Kulturbranche zwei Jahre lang fast komplett lahmgelegt hat, hat wohl jeder mitbekommen. Obwohl die Politik versucht hat, mit Soforthilfen zu unterstützen, und Veranstalter mit Streaming-Formaten Ersatzangebote schaffen wollten, mussten viele Kulturschaffende in andere Branchen wechseln oder wurden arbeitslos. Ich frage mich: 

Wie muss sich das alles für eine junge Band anfühlen, die 2020 so richtig loslegen wollte? Und was macht es mit einem Musiker, wenn er von heute auf morgen nicht mehr auftreten darf? 

Ich frage „ROVAR“ für ein Interview an und treffe mich an einem Montagabend per Zoom mit Bennet, Luca und Paul. Kurz bevor es losgehen soll, bekomme ich eine Nachricht von Bennet. Er habe länger als geplant an der Musikschule unterrichten müssen und sei erst 30 Minuten später zuhause. Unser Gespräch beginnt also um 21:30 Uhr und nach und nach erscheinen die Kacheln von Sänger und Gitarrist Luca, Bassist Paul und Schlagzeuger Bennet. Während ich gegen die Müdigkeit kämpfen muss, wirken die drei noch erstaunlich wach. Die Stimmung ist locker, es werden Witze gemacht und Anekdoten erzählt. 

Paul, Luca und Bennet (v.l.n.r.) – drei, die nicht nur musikalisch harmonieren. Copyright: ROVAR

Wie alles begann

Zum Einstieg möchte ich wissen, wie sich die Jungs kennengelernt haben, denn die Musikkarrieren der drei begannen getrennt. Luca und Paul wuchsen zwar im gleichen Ort auf, lernten sich aber erst durch die Musik kennen. Im Rahmen eines Förderprogramms für junge Musiker sah Paul Luca auf der Bühne performen. „Ich fands halt super, wie er gespielt hat, aber er hatte schon eine Band und für mich war schnell klar: So ein Format finde ich geil, aber die sind ja schon zu dritt.“ Der Kontakt schlief ein, bis eines Tages Pauls Telefon klingelte und Luca auf der Suche nach einem neuen Bassisten für seine Band war. „Dann haben wir gejammed und es hat gut geklappt und schon hatten wir unsere erste Konstellation erreicht“, fasst Paul den ersten Schritt der Bandgründung zusammen. 

Bennet kam später dazu, als von der „ersten Konstellation“ nur noch Paul und Luca übrig waren. Luca und Bennet waren Kommilitonen an der Musikhochschule Münster und dort die einzigen, die sich für Rockmusik und Bandarbeit interessierten. „Die anderen haben immer nur so Pop gemacht.“ Kein Wunder also, dass Bennet zum Zuge kam, als der ursprüngliche Drummer die Band von Paul und Luca verlassen wollte. Doch anfangs war Bennet skeptisch: „Die haben halt immer so Blues-Rock gemacht. Das fand ich ja irgendwie auch cool, aber ich wusste nicht, ob ich das genauso machen will.“ Doch nach einigen gemeinsamen Auftritten war klar: Menschlich passt es perfekt zwischen den dreien und auch musikalisch kommen sie schnell auf einen Nenner. 

Um den Neustart zu besiegeln, geben sie der Band auch einen neuen Namen: „ROVAR“. Wer hinter dem Namen allerdings eine tiefsinnige Bedeutung vermutet, liegt falsch. Luca erklärt: „Irgendwann war ich mit einem Kumpel in Tschechien und auf dem Auto vor uns stand halt Rova auf dem Nummernschild. Und irgendwie fand ich cool, wie das klang.“ Das fanden auch Bennet und Paul. Aus Gründen der Symmetrie wurde kurzerhand noch ein „r“ hintendran gehängt und fertig war der neue Bandname. 

Starker Name, starkes Logo. Copyright: ROVAR

Die erste Tour (oder auch nicht)

Nachdem sie 2019 ihre erste EP veröffentlicht hatten, sollte Anfang 2020 der nächste Meilenstein folgen. „Wir hatten so sieben, acht Termine, also das war unsere erste richtige Tour. Und die wurde dann ab Tag 1 sofort abgesagt“, schildert Bennet die Situation. „Für uns war das richtig scheiße.“ Mit „das“ meint Bennet die Corona-Pandemie, die Deutschland Mitte März 2020 erreicht und Kontaktbeschränkungen, ein Veranstaltungsverbot und die Homeoffice-Pflicht mit sich bringt. Für die Musikbranche hat dies brutale Folgen: Sämtliche Konzerte werden abgesagt und die eh schon hart umkämpften Proberäume in den Städten werden geschlossen. Doch wie soll eine Band aus dem Homeoffice proben? Und wofür überhaupt, wenn doch eh alles abgesagt ist?

„Wir waren halt privilegiert, weil wir einen eigenen Proberaum haben“, erklärt Paul. „Das war unsere Trumpfkarte.“ So kann sich die Band auch weiterhin regelmäßig treffen und gemeinsam Musik machen. Doch die Absage der Tour und die ständige Ungewissheit schlagen auf die Psyche: „Ich habe vorher immer so von Auftritt zu Auftritt gelebt und das, wo ich immer am meisten für gegeben habe, war auf einmal komplett weg“, schildert Luca seine Gedanken. Auch Bennet und Paul bedrückt die Situation und das ständige Hoffen, dass doch noch das ein oder andere Konzert stattfinden kann. Doch die drei geben nicht auf. „Wir haben einfach stumpf weiter geprobt“, sagt Paul mit einem Grinsen und Luca fügt hinzu: „Wir haben halt wirklich Spaß daran, miteinander zu spielen. Und dann war es auch kein Problem, dass man sich trotzdem trifft und mehr oder weniger so tut, als hätte man einen Auftritt. War halt niemand da, aber war auch schön.“ 

Man sieht der Band an, wie viel Spaß sie auf der Bühne haben. Copyright: Anja Mewes

Ein neues Ziel

Aufgefangen werden die drei auch durch ihre Hauptjobs. Anders als viele hauptberufliche Musiker müssen sie mit der Band nicht ihren Lebensunterhalt finanzieren. Doch die Gagen der abgesagten Tour waren fest für die Produktion des ersten Albums eingeplant und das stand nun auf der Kippe. Erst als klar war, dass die Gagen durch Soforthilfen des Landes NRW aufgefangen wurden, hatten die drei endlich wieder ein festes Ziel vor Augen. „Da haben wir uns richtig viel Zeit genommen und nur zusammen an Musik geschrieben. Wir haben die Zeit wirklich genutzt“, so Luca. Es entsteht ein komplettes Album mit 10 Songs, das in zwei Recording-Sessions professionell eingespielt wird. „Wäre das Album ohne Pandemie anders geworden?“ möchte ich wissen. „Wahrscheinlich schon“, sind sich alle einig. „So ein bisschen ist das Album düster und sentimental. Das ist schon interessant, wenn man bedenkt, dass alle Songs, bis auf einen, während Corona geschrieben wurden“, ergänzt Paul. 

Kreatives Chaos – Luca im Proberaum der Band. Copyright: ROVAR

Auch wenn ihnen durch die fehlenden Auftritte viel Reichweite und Erfahrungen genommen wurden – rückblickend sind die Musiker froh, dass sie sich so viel Zeit für das Album nehmen konnten. „Ohne Corona wären wir jetzt wahrscheinlich an einem anderen Punkt, aber nicht unbedingt an einem besseren. Wir haben uns auch so weiterentwickelt“, resümiert Bennet. Der nächste Meilenstein ist die Veröffentlichung des frisch produzierten Albums. „Wir möchten den Release gerne in das Touring integrieren. Am liebsten eine Single veröffentlichen, dann ein paar Gigs spielen, dann die nächste Single und dann irgendwann das Album“, erklärt Bennet die Strategie. „Wenn alles nach Plan läuft, ist das irgendwann im Sommer 2022. Doch solange die Tour-Termine nicht festgelegt werden können, können wir auch den Release nicht festlegen.“ Ich drücke die Daumen, dass der Plan der Band aufgeht und frage die drei, ob sie abschließend noch etwas sagen möchten. Neben „Kauft alle das neue Album!“ haben die drei auch noch eine Botschaft an alle Newcomer, „die auch mal so groß werden wollen wie wir.“, wie Bennet es scherzhaft formuliert. Frei nach Frank Zappa: „First rule: Don’t stop! Second rule: Keep going!“ 

Nachdem wir uns verabschiedet haben und die Kacheln der drei vom Bildschirm verschwunden sind, klappe ich den Laptop zu. Es ist 22.30 Uhr und ich muss dringend ins Bett. Vorher folge ich „ROVAR“ aber noch auf Instagram, denn wann auch immer die Tour stattfinden wird – ich möchte auf jeden Fall dabei sein.  

Wer einen Eindruck von der Band und ihrer Musik bekommen möchte, sollte sich unbedingt das Musikvideo zu „Don’t Look Back“ ansehen: 

Noch mehr Musik von „ROVAR“ gibt es auf Spotify: