Wer sich regelmäßig in den digitalen sozialen Netzwerken bewegt, begegnet neben vielen freundlichen und inspirierenden Menschen leider auch immer wieder feindseligen Inhalten wie Hasskommentaren oder Falschinformationen. Woher diese Probleme kommen, und was du konkret tun kannst, damit Facebook, Instagram und Co. keine asozialen Medien werden, erfährst du hier.
Von Lisa Balzer
Als Kramp-Karrenbauer mit ihrer Reaktion auf das CDU und SPD kritische Video des YouTubers Rezo die Aussagen des Videokünstlers als politische Meinungsmache bezeichnete und damit in den Augen vieler Menschen die freie Meinungsäußerung im Internet in Frage stellte, war der Aufschrei groß – berechtigterweise. Denn die Möglichkeit, im Internet und vor allem in sozialen Netzwerken die eigene Meinung öffentlich und für andere Nutzer zugänglich äußern zu können, ist für eine demokratisch orientierte Gesellschaft eine riesige Chance zur aktiven Diskursgestaltung. Neben dem vornehmlich privaten Posten der letzten Urlaubsfotos oder dem In-Kontakt-Bleiben mit Freunden können Nutzer so potenziell auch Einfluss auf größere gesellschaftliche Debatten nehmen – man denke an die #Metoo Bewegung oder die massive digitale Beteilung an den Hambacher Forst Protesten.
Die Existenz einer solchen Online-Gesellschaft bringt allerdings auch die weniger schönen Aspekte zwischenmenschlicher Interaktion mit sich: Mit der Beteiligungsoption für jeden entsteht gleichzeitig die Möglichkeit, rassistische, sexistische und verleumdende Äußerungen sowie faktisch falsche Aussagen zu verfassen und mit diesen problematischen Inhalten ebenso andere Nutzer zu erreichen. Aussagen, die gezielt bestimmte Menschengruppen oder einzelne Individuen diskreditieren oder beleidigen, bezeichnet man dabei als Hate Speech (dt.: Hassrede), während es sich beim bewussten oder unbewussten Verfassen und der Verbreitung von falschen Informationen um sogenannte ‚Fake News‘ (dt.: Falschnachrichten), also um Desinformationen handelt.
Die digitale Kommunikation macht Hass und Falschnachrichten leichter

Das grundsätzliche Problem mag dabei zunächst nicht in der Kommunikation auf digitalen Plattformen liegen, so der Policy Programs Manager Johannes Baldauf von Facebook Berlin, sondern in der zwischenmenschlichen Kommunikation im Allgemeinen. Denn auch fernab des Internets in direkten Face-to-Face Dialogen machen Menschen falsche oder verletzende Aussagen oder unterstützen offen menschenverachtende Ansichten. Und doch werden die Begriffe Fake News und Hate Speech nicht ohne Grund häufig in Verbindung mit der digitalen Gesellschaft genannt: Vor dem Zeitalter des Internets wurden Nachrichten so gut wie ausschließlich von Journalisten und den klassischen Medien verfasst und verbreitet und erfüllten durch gründliche Fakten-Checks in den meisten Fällen den Anspruch der objektiven und korrekten Berichterstattung. Gerade in den sozialen Netzwerken ist es jedoch heute ein Leichtes, mit einem auffallenden Foto und zwei, drei knackigen Sätzen schlecht recherchierte Inhalte oder sogar bewusste Falschaussagen als ‚Fakten‘ zu verbreiten, gerade dann, wenn es um ein besonders emotionalisierendes Thema geht, auf das Nutzer mit starken Gefühlen wie Wut oder Angst reagieren. Unschuldig ist die digitale Plattform hier also nicht.
Im Hinblick auf die Verbreitung von Hate Speech scheint das Problem noch größer zu sein. Man braucht sich lediglich die Kommentare unter einem Beitrag zu einem kontroversen Thema anzusehen, um zahlreiche Beispiele für Beleidigungen und diskriminierende Äußerungen zu finden. Zudem sorgen die indirekte, zeitversetzte Kommunikation über einen Bildschirm sowie die empfundene Unsichtbarkeit dafür, dass die Hemmschwelle für das Äußern von Hassrede deutlich sinkt.

Zivilcourage gefragt – das kannst du tun
Spätestens seit der Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (kurz: NetzDG) im Oktober 2017 werden die Betreiber sozialer Netzwerke selbst in die Verantwortung genommen, gegen strafbare Inhalte vorzugehen und auf Beschwerden von Nutzern zu reagieren. Das Gesetz wird jedoch vielfach als nicht wirkungsvoll genug kritisiert, und auch Baldauf betont, dass eine zusätzliche starke digitale Zivilgesellschaft unabdingbar ist. Konkret heißt das, dass jeder einzelne Nutzer digitaler Netzwerke in der täglichen Nutzung Zivilcourage zeigen kann und sollte, um auf Fake News aufmerksam zu machen oder Opfern von Hassrede zur Seite zu stehen und die Schattenseiten des digitalen Miteinanders so ein wenig zu entschärfen. Dies funktioniert zum Beispiel mit den folgenden fünf Mitteln:
- #Ichbinhier – Hassrede aktiv widersprechen
Ein erstes wichtiges Zeichen gegen Hassrede ist bereits gesetzt, wenn man sie nicht unkommentiert lässt. Gerade für die Menschen, die Opfer von Hetze oder Beschimpfungen werden, kann es einen großen Unterschied machen, wenn unter einer verletzenden Aussage andere Nutzer vehement widersprechen und ihre Unterstützung für die Betroffenen zum Ausdruck bringen. Jeder Einzelne kann hier einen Unterschied machen und in der täglichen Nutzung auf feindselige Kommentare reagieren, die einem begegnen. Wer noch aktiver zu einer positiven Diskussionskultur beitragen möchte, kann sich der Facebook Gruppe #ichbinhier anschließen, in der sich mittlerweile über 44.000 Mitglieder organisieren, denunzierende Kommentare ausfindig machen und darauf mit sachlicher Gegenrede reagieren – immer versehen mit dem #ichbinhier Hashtag.
- Skeptisch bleiben
Auch wenn viele Menschen schon von Fake News gehört haben, so ist es bei der täglichen Nutzung sozialer Medien doch keinesfalls selbstverständlich, alle Inhalte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Gerade bei kontroversen oder emotionalen Themen und bevor wir Inhalte aktiv weiterverbreiten, kann eine kleine eigenständige Recherche zum Thema aber ein guter erster Schritt sein, um sich selbst über verschiedene Standpunkte zu informieren und nicht auf einseitige oder falsche Berichte hereinzufallen.
- Flagging – Hassrede und Fake News melden
“Stop” (CC BY 2.0) by Mike J Maguire
Mittlerweile bieten alle großen sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter die Möglichkeit, Posts und Tweets, Kommentare oder ganze Profile zu melden, wenn strafrechtlich relevante Inhalte enthalten sind. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als ‚Flagging‘, da Nutzer mit der Meldung eine Art Warnflagge für die Plattformbetreiber erstellen können. Die Betreiber der Netzwerke sind dann in der Verantwortung, sich die gemeldeten Inhalte anzuschauen und gegebenenfalls zu entfernen, wenn sie als strafrechtlich problematisch eingestuft werden oder den Community Standards widersprechen. Die Option, Beiträge zu melden, findet sich mittlerweile standardisiert oben rechts neben einem Post, wenn man auf die drei Pünktchen oder das Häkchen klickt, mit dem alle Optionen für den Post angezeigt werden.
- Inhalte anzeigen
Zusätzlich zum Melden von problematischen Posts gibt es auch immer die Option, besonders schwerwiegende Inhalte wie Volksverhetzung oder Verleumdung bei der Polizei anzuzeigen. Diese Option ist mit deutlich höherem Aufwand verbunden, kann jedoch bei Erfolg dafür sorgen, dass die Verfasser solcher Nachrichten mit tatsächlichen strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert werden, und ihr Verhalten so nachhaltig beeinflusst wird.
- Aufmerksamkeit schaffen
Zu guter Letzt gilt es, immer wieder Aufmerksamkeit für die Gefahren von Hate Speech und Fake News zu schaffen. Dies kann zum Beispiel erreicht werden, indem man generelle Informationen dazu auf dem eigenen Profil teilt, Bewegungen wie die #ichbinhier Gruppe bekannt macht oder aber aktiv darauf hinweist, wenn sich einzelne Meldungen und Inhalte als Fake News herausstellen. Denn je mehr Menschen sich dieser möglichen Problematiken von digitaler Kommunikation in sozialen Netzwerken bewusst sind, umso stärker lässt sich dagegen angehen.
Copyright Titelbild: Susanne Nilsson, Hashtag (34942575026), CC BY-SA 2.0