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Eine Kunstrebellin gegen das Schönheitsideal

Kampf dem Schönheitsideal! In unserem Alltag sind wir ständig mit Schönheitsnormen konfrontiert – Sei es in der Werbung, in Zeitschriften oder in sozialen Medien. Doch was ist schön? Und wer bestimmt eigentlich was Schönheit ist? Momentan herrscht das Körperideal vor sehr schlank sein zu müssen. Dabei wird sowohl Männern, wie auch Frauen suggeriert: Nur wer schlank ist, ist auch schön. Die Kunstrebellin Sarah Waschke möchte Stich für Stich gegen diese Schönheitsbild ankämpfen.

Von Kim Jennifer Weber

Schlank gleich schön? – Das aktuell verbreitete westliche Schönheitsideal suggeriert, dass nur wer sehr schlank und sportlich ist, in der Gesellschaft auch als schön angesehen ist. Doch geht diese Gleichung wirklich auf? Schönheit liegt doch bekanntlich im Auge des Betrachters und ist subjektiv. Genau dieses von den Medien verbreitete Schönheitsbild kritisiert die Feministin und Künstlerin Sarah Waschke.

Sarah Waschke eine Rebellin gegen die Schönheitsnorm

Die Kunstrebellin Sarah Waschke. Foto: Kim Weber
Die Kunstrebellin Sarah Waschke. Foto: Kim Weber

Ihre Kunst, wie auch Sarah selbst ist etwas ganz Besonderes. Mit schwarzer, ihre weiblichen Kurven betonender Kleidung, ein bauchfreies Top, tätowiert, mit modischer Bobfrisur und sorgfältig aufgetragenem Makeup widersetzt sich die junge Body-Positivity-Aktivistin jeglichem normativen, klassischen Schönheitsklischee. Auch der Arbeitsplatz der 26-Jährigen ist, wie Sarah selbst: auffällig. Dutzende unterschiedliche Farben an Garnen liegen fein säuberlich sortiert bereit, um miteinander kombiniert und zu einem Kunstwerk verarbeitet zu werden. Licht dringt durch ein Fenster neben dem Schreibtisch und sorgt für eine angenehme und gemütliche Atmosphäre. Über dem Arbeitsplatz ist eine Girlande angebracht mit den Worten „Treat Yourself“ – Gönn Dir selbst etwas. An der Wand hängen einige Arbeiten der Künstlerin, die ihr besonders am Herzen liegen.

Sticken – Ein vergessenes Kunstmedium

Was Sarahs Kunstwerke so einzigartig und faszinierend macht? – Die Tatsache, dass sie nackte, nicht dem Schönheitsideal entsprechende Körperformen stickt und so dem weitverbreiteten unrealistischen Körperideal den Kampf ansagt. Die junge Frau sieht in der Stickerei „ein vergessenes Medium der Kunst“, welches oft als Frauenarbeit deklariert werde und nur wenig Beachtung finde. Sticken als Kunstmedium erlebt aktuell eine Renaissance, denn insbesondere in der feministischen Kunstszene greifen wieder immer mehr Künstlerinnen bewusst zu Nadel und Faden. Die Absicht dahinter: Eine Gegenbewegung zur Bildhauerei, Malerei, Fotografie und Installationskunst welche geschichtlich betrachtet Kunstmedien verkörpern, die überwiegend von männlichen Künstlern geprägt wurden. Die Stickerei, soll nicht mehr vornehmlich als Frauenarbeit betrachtet werden, sondern als Medium der Kunst wahrgenommen werden und somit den gleichen Stellenwert erhalten, wie vergleichbare Arbeiten anderer Künste. Diese Gegebenheiten haben sie besonders gereizt das Sticken als ihre Kunstform zu benutzen, um ihre Kritik am weiblichen und männlichen, idealen Körperbild zu formulieren, erzählt die Kunstaktivistin. Und Sarah Botschaft ist eindeutig: „Jeder Körper ist schön“. Frauen sollten ihren Körper wieder als Kunst wahrnehmen, Männer natürlich auch und sich nicht zu sehr nach Schönheitsidealen richten, erklärt die Künstlerin ihre Intention. Liebevoll setzt sie die verschiedenen Körper Stich für Stich ästhetisch in Szene und spielt gekonnt mit Farben, Mustern und Körpern, mit dem Ziel „Aufmerksamkeit auf viele verschieden Körperformen zu lenken“. Jedes Kunstwerk ist dabei ein Unikat. Die Kunstwerke sollen provozieren, was sie auch durch das Evakostüm der gestickten Modelle tun. Dabei schafft es die Künstlerin gekonnt den schmalen Grad zwischen Provokation und Vulgarität zu meistern und ihre Werke nicht anrüchig wirken zu lassen.

Liebevoll kombiniert die Künstlerin Farben und Formen zu einem Kunstwerk. Foto: Kim Weber
Liebevoll kombiniert die Künstlerin Farben und Formen zu einem Kunstwerk. Foto: Kim Weber

Überwiegend stehen Frauenkörper im Fokus. Auf ein Kunstwerk ist die junge Feministin allerdings besonders stolz  – auf das Abbild eines Mannes, welcher ihr Modell gestanden hat. Denn der Druck einem von der Gesellschaft geschaffenen Körperideal nachzueifern macht auch nicht vor dem vermeintlich starken Geschlecht halt. Dem aktuell verbreiten Schönheitsideal steht Sarah äußerst kritisch

Foto: Sarah Waschke, Etsyshop radicalcuteness
Auch Männer stehen Modell. Foto: Sarah Waschke, Etsyshop radicalcuteness

gegenüber, „da Ideal bedeutet, dass es etwas ist, was eigentlich nicht erreichbar ist“. Man müsse nicht erst ein gewisses Ideal erreichen, um ein guter Mensch zu sein, meint Sarah, „denn wir sind von vornherein so schön wie wir sind – egal wie wir aussehen“. Die Ursache für die gegenwartsnahe popagierte Schönheitsnorm sieht die Kunstaktivistin darin, dass viele Menschen so geprägt seien von sozialen Medien, Photoshop und Instagram-Filtern, dass sie gar nicht mehr wissen würden wie reale Menschen aussehen und einem Phantasie-Bild hinterherhängen würden.

Body-Positivity-Bewegung

Mit dieser Meinung ist die Künstlerin nicht alleine, die darauf hofft mittel Aktivismus, Online-Aktivismus und der Body-Positivity-Szene wieder mehr Aufmerksamkeit auf reale Körper zu lenken. Entstanden ist die Body-Positivity-Bewegung in den USA mit dem Ziel jeden Körper, egal mit welchem vermeintlichen Makel, als einzigartig zu betrachten. Plattform für die Bewegung ist das Internet, insbesondere die sozialen Medien. Völlig losgesagt vom klassischen Schönheitsklischee veröffentlichen Menschen Fotos von sich auf sozialen Medien unter dem Hashtag Body Positivity. Zu sehen sind Menschen mit Körperbehaarung, Cellulitis, Muttermalen oder anderen scheinbaren Abweichungen vom Ideal. Hierbei handelt es sich nicht ausschließlich um eine reine Protestbewegung. Vielmehr sollen Frauen und Männer mit solchen Merkmalen einen positiven Zugang zu sich selbst finden, Frieden mit ihrem eigenen Körper schließen und Körpervielfalt leben. Denn unsere Selbstwahrnehmung ist selbstbestimmt und somit beeinflussbar. Wahre Schönheit bedeutet auch sich selbst zu lieben.

 „Je mehr Bilder man von fetten, fröhlichen Frauen sieht, desto besser“

Auch Sarah ist in sozialen Medien vertreten und teilt regelmäßig ihre neusten Arbeiten auf Instagram unter dem Username radicalcuteness. Der Gedanke dahinter ihre Werke im Internet zu veröffentlichen soll weniger ihren Bekanntheitsgrad befördern, als vielmehr positive Energie verbreiten und ihr positives Statement in die Welt bringen, so die junge Frau.

"Spreading love and body-positivity". Foto: Kim Weber
“Spreading love and body-positivity”. Foto: Kim Weber

Die Body-Positivity-Aktivistin möchte Menschen dazu bringen, dass sie sich in ihrem Körper wohl fühlen und „je mehr Bilder man von fetten, fröhlichen Frauen sieht, desto besser wird das“, erklärt sie. Denn leider fühlen sich noch immer viele Frauen und auch Männer unwohl, wenn sie nicht der vermeintlichen Schönheitsnorm entsprechen. Sarah hat Verständnis, dass es schwierig sei sich von einem tief in der Gesellschaft verankerten Schönheitsideal zu lösen. Betroffenen rät sie: „Schaut euch ganz viele reale Menschen an, die auf der Straße rumlaufen“, da ihrer Meinung nach Werbebilder und soziale Medien ein ganz unrealistisches Schönheitsideal zeigen. Die in der Gesellschaft verbreite Schönheitsnorm sei sehr einseitig und „es gibt ganz, ganz viele verschiedene Körper und das ist auch gut so”, sagt die Künstlerin.

Spreading Love and body-positivity

Für ihre Werke, sagt Sarah, erhalte sie hauptsächlich positives Feedback auf Instagram und von Freunden. Ihre Kunst und ihr positiver Umgang mit ihrem Körper haben allerdings auch schon dazu geführt, dass sie beleidigende Kommentare im Internet erhalten hat, wie sie sei zu fett und hässlich, erzählt die Künstlerin. Bodyshaming ist leider kein Einzelfall in sozialen Medien. Der richtige Umgang mit kränkenden Bemerkungen ist dabei entscheidend. Die Künstlerin sieht die positiven Aspekte der sozialen Medien überwiegen, da diese ihr die Chance bieten sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen „und man bekommt einfach auch Inspiration und fühlt sich wohl in einem Umfeld, welches einen gut findet“. Für Hasskommentare hat Sarah keine Zeit und blockiert diese einfach auf ihren Accounts, „weil ich mir da kein schlechtes Gefühl geben lassen will“. Neben ihrem Instagram-Account sind ihre Kunstwerke auch auf in ihrem Etsy-Shop „radicalcuteness“ zu finden, über welchen diese auch gekauft werden können. Auch hier bleibt sich die Künstlerin treu. Auf der Startseite fällt direkt Sarahs Devise ins Auge: „Spreading love and body-positivity“. Und genau dies tut Sarah Waschke – Sie verbreitet Positivität.

Drei Fragen an: Rechts- und Sozialpsychologe Professor Dr. Rainer Banse von der Universität Bonn

Existiert ein normatives Schönheitsideal?

In der Literatur findet man die gängige Meinung, dass es sowas wie ein normatives Schönheitsideal gibt, denn Menschen sind sich relativ einig darüber, was schön ist und was nicht. Was wir in unserer heutigen Medienwelt feststellen ist, dass unheimlich viel Wert auf Äußeres gelegt wird. Ganz viele Leute bearbeiten ihre Facebook-Profilbilder mittels Photoshop und investieren unglaublich viel Zeit, um optimal auszusehen.

Welche Auswirkungen hat dieses Ideal?

Die Auswirkungen dieses Ideals sind, dass es sehr viele Leute unglücklich macht. Nämlich all diese, die glauben, dass sie diesem normativen Schönheitsideal nicht entsprechen und sich deswegen minderwertig fühlen und traurig, sogar depressiv werden.

Kennen Sie die Künstlerin Sarah Waschke und wie beurteilen Sie ihre Werke?

Ja ich kenne die Künstlerin und ihr Arbeiten finde ich sehr gut und auch sehr pfiffig und originell. Meiner Meinung nach hätten Frauen ein großes Interesse daran diesen Teufelskreis zu durchbrechen und Schönheitsideale zu propagieren, die natürlicher sind und mit denen sie sich einfach wohler fühlen, da diese auch erreichbar für sie sind.

Stich für Stich ein Unikat – Die Werke von Sarah Wasche - Quelle Sarah Waschke, etsyshop radicalcuteness1

Stich für Stich ein Unikat – Die Werke von Sarah Wasche - Quelle Sarah Waschke, etsyshop radicalcuteness2

Stich für Stich ein Unikat – Die Werke von Sarah Wasche - Quelle Kim Weber

Stich für Stich ein Unikat – Die Werke von Sarah Waschke. Foto: Sarah Waschke, Etsy-Shop radicalcuteness

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