Das Studium im Ausland ist für die meisten deutschen Studierenden fast schon zur Pflicht geworden. Unsere Generation ist geprägt durch Freiheit der Reise und Bildung. Doch wie sieht es außerhalb von Europa aus? Wer beispielsweise in Ghana ins Ausland möchte, muss tief in die Tasche greifen.
Von Fabian Hengstmann
Millennials. Ein Wort, das in seiner Bedeutung eine ganze Generation beschreiben soll. Und es ist nicht irgendeine Generation, es ist meine Generation. Millennials, das sind nach Definition die, die mit der globalen Vernetzung des Internets groß geworden sind und sich jetzt mitten in ihren Zwanzigern befinden. Das Lebensgefühl unserer Generation ist das der Freiheit: Freiheit in der Liebe, Freiheit in der Lebensplanung und vor allem Reisefreiheit ohne Grenzen. Es stehen uns alle Türen offen und wenn wir Lust haben, können wir ohne Probleme die schönsten Winkel der Welt bereisen, dort leben oder studieren.
Eine Generation, unterschiedliche Chancen

Dezember 2016: Ich sitze mit Joachim Ewuntomah auf der Terrasse vor seinem Elternhaus im kleinen Ort Damongo im Norden des westafrikanischen Landes Ghana. Bei einem kühlen Bier genießen wir die warme Sommernacht bei immerhin noch 31 Grad. Wir kennen uns durch ein Austauschprogramm bereits seit drei Jahren. Er war damals 26, ich gerade Anfang 20. Es ist nicht mein erstes Mal in Ghana. Bereits 2013 reiste ich fünf Wochen durch das bunte Land. Uns beide eint die Selbstverständlichkeit und Ungezwungenheit, mit der wir unsere Freundschaft, auch über Kontinentalgrenzen hinweg, pflegen. Drei Jahre später reden wir über Gott und die Welt. Immer wieder führt unser Gespräch zum Thema Reisefreiheit. Joachim spricht von seinem Traum im Ausland zu arbeiten oder zu studieren. Doch da zeigen sich die erheblichen Unterschiede unserer Freiheit: Während ich innerhalb von 3 Wochen problemlos zu ihm reisen kann, ist die Ausreise für Ghanaer ein langer und komplexer Prozess.
“Nur reiche Ghanaer können sich ein Auslandssemester leisten.”

Dabei ist Ghana das Vorzeigeland Westafrikas. Die Demokratie ist stabil und die Ghanaer haben flächendeckend eine Grundversorgung an Lebensmitteln. Auch die Bildungsanalyse des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zeigt: Immer mehr Kinder und Jugendliche erhalten Zugang zu Bildung. Die jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren machen in Ghana circa 20% der Gesamtbevölkerung aus, Tendenz steigend. Vor allem die Universitäten in den Städten Accra oder Cape Coast gehören zu den bestangesehensten Universitäten Westafrikas. In den neun staatlichen und über 54 privaten Universitäten werden Ghanas Fachkräfte für die Zukunft ausgebildet. Im Jahr 2014 studierten insgesamt circa 400.000 junge Ghanaer. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 waren es lediglich 125.000 eingeschriebene Studierende. Doch bei einem Studium in Heimatland soll es bei vielen nicht bleiben. Das Auslandsstudium ist genauso wie in Europa für ghanaische Studierende höchst erstrebenswert. Doch schafften es im Jahr 2013 nur knapp 9000 Ghanaer zum Studium ins Ausland.

Woran scheitert es, dass die meisten ghanaischen Studierenden es nicht ins Ausland nach Amerika, Kanada, Großbritannien oder Deutschland schaffen? Einer, dem dies gelungen ist, ist der 25-jährige Bright Addae. Er studiert bereits im vierten Semester „Environmental Management“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er erzählt mir ganz offen, woran es bei den meisten Ghanaern scheitert, wenn sie ein Auslandssemester planen. „Die Finanzierung ist gleichzeitig der wichtigste, aber auch schwierigste Faktor. Nur reiche Ghanaer können sich die von Deutschland verlangten 8000 Euro Grundkapital für ein Studium leisten“, sagt er. Zudem sind 8000 Euro umgerechnet in ghanaische Cedis ein Vermögen für die meisten Studierenden im Land. Vielen bleibt nichts Anderes übrig, als ein Kredit aufzunehmen und somit Schulden zu machen. Hinzu kommt der komplexe Prozess des deutschen Visums: Bevor man das Land verlässt, muss man zwei Mal in der deutschen Botschaft in Accra vorsprechen. Erst nach Erteilung der Ausreiseerlaubnis, ist es ghanaischen Studierenden gestattet, sich für ein Auslandssemester zu bewerben. Bright Addae engagiert sich in der „Kieler Association for ghanaian students“ und hilft zukünftigen und gegenwärtigen Studierenden die Bürokratie zu bewältigen. Zusätzlich sorgen sie für den kulturellen Austausch durch zahlreiche Feste, wie zum Beispiel anlässlich des 60. Jahrestages der Unabhängigkeit Ghanas in diesem Jahr. Auch wenn es zahlreiche Förderoptionen, beispielsweise durch den DAAD oder durch politische Stiftungen wie der Friedrich-Ebert oder Konrad-Adenauer Stiftung gibt, ist der Aufwand für den Großteil der Studierenden zu groß. Es scheitert letztlich vor allem an der Finanzierung.
Zusätzliche Belastung durch neues Gebührenmodell

Doch obwohl von staatlicher Sicht die ausländischen Studierenden in Deutschland gewollt und willkommen sind, schaffen einige Landesregierungen neue Hürden für ein potentielles Auslandssemester. In Nordrhein-Westfalen nimmt die neue Landesregierung von CDU und FDP die Studiengebühren wieder in den Fokus. Der Plan ist, das Studium für deutsche und europäische Studierende weiterhin gebührenfrei zu halten und gleichzeitig die Gebühren von Nicht-EU-Bürgern wieder einzufordern. Also kämen beispielsweise auf Studierende aus Westafrika mit dem neuen Modell zusätzliche Kosten von 1500 Euro pro Semester hinzu. Die FDP, die hauptsächlich für die Umsetzung dieses Modells kämpft, rechtfertigt die zusätzlichen Kosten mit der Forderung nach dringender Investitionssteigerung der deutschen Universitätsstandorte. Doch es formiert sich bereits Protest. Während einer Veranstaltung an der Ruhr-Uni Bochum mit FDP-Chef Christian Lindner gab es lauten Protest gegen die Pläne der NRW-Regierung. Dass diese die Attraktivität Deutschlands als Anlaufpunkt internationaler Fachkräfte schmälert, sagt Younouss Wadjinny, Sprecher beim Bundesverband ausländischer Studierender in Deutschland, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Deutschland war ein beliebtes Ziel wegen dieser Tatsache, dass man hier nicht Studiengebühren bezahlen muss.“ Fakt ist: Den internationalen Studierenden wird mit dieser weiteren finanziellen Belastung der Weg an die deutschen Hochschulen weiter erschwert.
Wer viel Zeit investiert, kann es schaffen

Zurück in Damongo: Für Joachim gibt es leider nur wenig Chancen in naher Zukunft nach Deutschland zu kommen. Mit der aktuellen Migrationsbewegung in Europa ist es schwerer denn je, ein gültiges Visum für einen erneuten Deutschlandbesuch zu bekommen. Doch seine jüngere Schwester Joana hat Glück. Nachdem sie im Frühjahr ihr Studium zur Lehrerin abschloss, bekommt sie nun die Chance ein Praktikum an einer deutschen Grundschule zu machen. Joana Ewuntomah ist eine gebildete, engagierte junge Frau. Bereits während ihres Studiums war sie Teamleiterin der lokalen AIESEC-Gruppe, die sich für die globalen Führungskräfte von morgen einsetzt. Zusätzlich zu ihrem Engagement wurde sie von deutschen Bekannten erheblich bei ihrem Vorhaben des Auslandspraktikums unterstützt: „Das Praktikum zu organisieren war ein langer und schwieriger Prozess. Ohne Unterstützung wäre das Visum für die Reise nach Deutschland nicht möglich gewesen“, sagt sie selbst. Zudem freue sie sich auf die Arbeit mit den deutschen Kindern, die sie im Fach Englisch unterrichten wird. Besonders strikt sind folglich auch die Reisebestimmungen für den Aufenthalt. Die deutschen Gastgeber müssen dafür sorgen, dass sie am vorab festgelegten Datum auch tatsächlich wieder in den Flieger Richtung Heimat steigt. Zu groß ist die Angst vor illegaler Migration nach Europa.
Der Weg zur Chancengleichheit der internationalen Bildung ist also noch lang. Wenn wir unser Selbstverständnis als Millennials ernst nehmen ist es unsere Pflicht, sich dafür stark zu machen.