Die großen Namen der Comedy-Szene kennen alle: Mario Barth, Carolin Kebekus oder Bülent Celan. Doch wie sieht es eigentlich aus für Newcomer in dieser Szene? Ein Blick hinter die Kulissen mit dem Stand-Up-Komiker Philipp Siedau.
Von Robert Franzen
Dienstagabend in der Krefelder Kulturfabrik. Es sind gut 150 Leute im Saal. Die Routine sitzt, doch die Aufregung steigt. In ein paar Minuten muss Philipp Siedau (22) auf die Bühne. Er wippt schon aufgeregt mit seinen Beinen. Obwohl er schon seit mehr als eineinhalb Jahren als Stand-Up-Komiker auftritt wird er immer noch nervös. Vor allem ein paar Minuten vor dem Auftritt würde er am liebsten wieder verschwinden und gar nicht erst auf die Bühne gehen. Auch wenn man es nicht meinen würde: Kleinere Gruppen an Zuschauern sind für Philipp noch viel nervenaufreibender als ein größeres Publikum wie heute. Er muss dann nämlich viel enger mit den Leuten in den Austausch treten und ist viel näher dran. Da sind größere Locations schon ein wenig angenehmer und es kann sogar vorkommen, dass der junge Komiker auf der Bühne die Zuschauer bei all der Beleuchtung gar nicht mehr sieht, sondern nur ab und zu mal lachen hört. „Das kommt mir dann manchmal so vor, als wäre gar keiner da und die Putzfrau hätte hinten ein Tape mit Lachern abgespielt, wenn ich auf der Bühne stehe.“

Gegen das Lampenfieber hilft nur eins, sagt Philipp zwinkernd: „Alkohol!“ Natürlich nicht immer und vor allem nicht in rauen Mengen, sonst klappt es nachher mit dem Auftritt nicht mehr, aber ab und zu ein kleines Bierchen hilft schon, die Nervosität runterzuspülen. Ansonsten bereitet er sich natürlich auf seine Gigs vor und hat seine Stand-Up-Routine aus gesammeltem Material schon vorverfasst. „Mittlerweile bin ich beim Schreiben der Gags und Routinen etwas freier. Ich schreibe mir dann die Punchline auf und ein paar Stichpunkte wie ich zu dieser komme, den Rest versuche ich allerdings ein bisschen zu improvisieren, weil die Leute schnell merken, wenn etwas zu sehr gescriptet ist.“
“Sei einfach du selbst”
Eine feste Regel für das Schreiben seines Materials hat Philipp nicht, es hänge da auch viel vom Stil ab, meint der junge Comedian. Zu Weihnachten gab es aber zumindest schon mal ein Buch von der Oma, wie man am besten Gags schreibt. „Das hat schon ganz gut geholfen. Vor allem wenn man Gags fürs Fernsehen schreiben will, sind solche Bücher ganz hilfreich. Wenn man sich zum Beispiel Jan Böhmermanns One-Liner anguckt, ist das schon fast ne wissenschaftliche Arbeit und hat dann nicht mehr viel mit spontanem Humor zu tun“. Ansonsten verlässt er sich aber eher auf seine Intuition, da er im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kollegen gerne schneller spricht und daher auch mehr erzählen muss. Das sei aber weiter nicht schlimm, sagt der Komiker, denn es kommt bei Comedy ja auch darauf an, sich selbst treu zu bleiben. Andererseits nervt ihn dieser letzte Satz, denn ja: man hört das immer wieder, wie alteingesessene Stand-Up-Profis den Tipp geben, man solle einfach man selbst sein. „Das ist ´n richtiger Kacktipp. Wer weiß schon, wer man selber ist!? Ich zumindest nicht. Das überfordert mich immer ein wenig darüber nachzudenken – dafür müsste ich wohl erst mal nach Australien auf eine Selbsfindungsreise gehen“ sagt er lachend.
Auf die Ideen für seine Gags kommt er im Alltag: „Ich versuche zum Beispiel nicht so viel Musik zu hören, wenn ich unterwegs bin, sondern den Leuten bei ihren Gesprächen zuzuhören und mir dann Notizen in meinem Handy zu machen“. Allerdings versucht sich der junge Stand-Up-Comedian auch auf einen Themenbereich zu beschränken, da das für den Erfolg einer Routine wichtig sei. „Das erhöht den USP“ (unique selling point).
Aus dem Vorlesungssaal auf die Comedy-Bühne
Dieses strategische Denken kommt nicht von ungefähr, denn Philipp studiert tagsüber an der Uni in Köln. Das Fach? Na klar: BWL. Und wie passen Hobby und Ausbildung zusammen? Ganz gut. Comedy ist schließlich auch ein Business, das es zu durschauen gilt, und ein bisschen Hintergrundwissen kann schließlich nicht schaden. Philipp selbst führt es allerdings darauf zurück, dass es schon immer in ihm war: „Ich bin, auch zum Leidwesen meiner Eltern, schon als kleiner Junge anstatt mit anderen Kindern zu spielen lieber auf die höchsten Klettergerüste geklettert und habe dort für andere gesungen oder das Kasperle-Theater nachgespielt“. Und heute zieht es ihn eben auf die Stand-Up-Bühnen Deutschlands.

Für das Geld macht er das nicht. „Für mich ist das alles eher noch ein bisschen nebenberuflich, da ich ja noch studiere. Es gibt aber auch Kollegen, die das hauptberuflich machen, und da frage ich mich häufig, wie die davon leben wollen.“ Denn viele Auftritte werden gar nicht oder nur sehr schlecht bezahlt. Es gibt ab und zu mal Auftritte, an denen der Darsteller an einem Abend so viel verdient, wie andere Studierende vielleicht in einem Monat, danach kann es aber auch passieren, dass er ein paar Monate von diesem Geld zehren muss. Vor allem wenn Auftritte mit weiteren Reisen verbunden sind, stehen Aufwand und Ertrag in einem eher schlechten Verhältnis. Comedians, die mit ihren Shows richtig viel Geld verdienen sind rar. Das wären dann solche, die auch anfänglich schon erwähnt wurden, wie Mario Barth, Carolin Kebekus oder eben Bülent Celan. Das sind die „Fernsehleute“, wie Philipp sie nennt. Darunter gibt es aber auch viele andere, durchaus professionelle Comedians, die vielleicht schon etwas bekannter sind, aber bei weitem nicht so viel verdienen.
„Das ist wie eine Sucht. Man kennt das ja auch von Vorträgen oder Referaten, die man vor mehreren Leuten halten muss. Man ist voller Adrenalin und wenn man von der Bühne geht ist man unendlich erleichtert und einfach nur glücklich – Selbst wenn es vielleicht nicht so gut geklappt hat an dem Abend und auch, wenn man eigentlich gar nicht auf die Bühne wollte. Man macht es aber irgendwie trotzdem immer wieder“
Open-Mic-Nights – Nicht nur für Anfänger
Aber auch die großen “Comedy Stars” haben natürlich irgendwann mal kleiner angefangen. Bei Open-Mic-Nights und in kleineren Läden zum Beispiel. Gute Anlaufstellen für alle, die auch mal überlegen, sich als Stand-Up-Comedians zu erproben, sind zum Beispiel Boing, Kunst-Gegen-Bares oder Komischer Klub. Auf diesen “offenen Bühnen” tummeln sich viele Neuanfänger und versuchen sich an ihren ersten Schritten im Komiker-Leben. So hat zum Beispiel auch Philipp angefangen. Allerdings in Berlin. „Ich wollte so weit weg wie möglich sein, falls der Auftritt schief läuft… Was im Nachhinein auch gar nicht dumm war, da er tatsächlich in die Hose ging, weil ich mich vorher nicht gut vorbereiten konnte.“
Solche Open-Mic-Nights sind aber nicht nur Tummelplätze für Neuankömmlinge in der Comedy-Szene. Auch alteingesessene Stand-Up-Profis nutzen diese Events, um neues Material zu erproben und zu testen, ob die Witze gut ankommen. Oft passt die eigene Vorstellung nicht zur Realität. Witze, in die ein Künstler wenig Hoffnung setzt, entpuppen sich plötzlich als tosende Kracher, während andere gar nicht gut ankommen. Da sind solche kleineren Shows die perfekte Möglichkeit ein Publikums-Feedback zu bekommen, bevor man die großen Shows spielt.
So probiert auch Philipp an diesem Abend ein paar neue Gags aus. Auf die Größe des Publikums kommt es ihm dabei nicht an. „Meistens baut man neues Material in der Mitte ein und versucht, schon sicheres Material am Anfang als guten Einstieg zu platzieren. Da ist die Größe des Publikums dann nicht ganz so wichtig.“

Heute Abend läuft es gut, die Leute im Saal lachen, auch beim neuen Material. So wünscht man sich das natürlich, und so macht Comedy auch besonders Spaß. „Das ist wie eine Sucht. Man kennt das ja auch von Vorträgen oder Referaten, die man vor mehreren Leuten halten muss. Man ist voller Adrenalin und wenn man von der Bühne geht ist man unendlich erleichtert und einfach nur glücklich – Selbst wenn es vielleicht nicht so gut geklappt hat an dem Abend und auch, wenn man eigentlich gar nicht auf die Bühne wollte. Man macht es aber irgendwie trotzdem immer wieder“.
Das ernste Geschäft mit dem Spaß
Die Anspannung vor den Auftritten ist aber nicht nur bei den Newcomern groß. Auch erfahrene Stand-Up-Comedians sind vor Auftritten nicht unbedingt umgängliche Menschen. Wenn Gigs weiter weg stattfinden und trotzdem einige Kölner Comedians dabei sind bilden diese oft Fahrgemeinschaften. Auch Philipp war schon öfters bei solchen dabei: „Das sind vermutlich die stillsten Autofahrten der Welt. Man könnte meinen, dass bei 5 vermeintlich lustigen und kreativen Menschen im Auto viel Trubel herrscht, es wird sich aber komischer Weise konsequent angeschwiegen. Manche können noch nicht mal Radio hören, weil sie das zu sehr nervt.“ Schließlich müssen sie nachher auf der Bühne Vollgas geben, um die Zuschauer für sich zu gewinnen – auch indem sie viel über sich, über Freunde, oder Familie preisgeben.
Stil oder Routine können leicht in Schubladen führen, die das Publikum für die Künstler öffnet. Witze, die eigentlich nur zwischendrin als Neben-Gag gedacht waren, werden auf einmal zu unfreiwilligen Markenzeichen. Das kann für die Comedians nervig oder auch hinderlich laufen. Auch Philipp ist so etwas schon passiert. In seiner Intro bei Nightwash sagte er aus Spaß, dass er ab und zu gerne mal sein Gesicht à la Möchtegern Ryan Gosling verziehe wenn ihm langweilig wäre. Und prompt wurde er im Videotitel zum Möchtegern Ryan Gosling tituliert. Viele Stand-Up-Comedians ziehen daraus aber auch einen Nutzen, da dadurch auch ihr Wiedererkennungswert steigt. Man denke nur an Mario Barth, Olaf Schubert oder Cindy aus Marzahn.
Ein Nachteil der Stand-Up-Szene sind laut des aufstrebenden Comedians die Arbeitszeiten. „Während andere Leute Feierabend haben und sich eine schöne Zeit mit Freunden machen, musst du auf die Bühne und denen diese schöne Zeit geben. Wenn man da als letztes dran ist wird es ab und zu schon sehr spät“. Oft verschlafen Comedians den halben Tag, um abends fit zu sein für die Bühne. „Das würde ich, glaube ich, aber auch machen“ sagt Philipp.
Auch heute ist es wieder spät geworden. Direkt schlafen ist jedoch nicht drin, erst muss er die Heimreise antreten. Doch rumreisen, Leute zum Lachen bringen, dafür hin und wieder Geld zu bekommen und kostenlos Getränke abzustauben – da könnte sich Philipp schlimmeres vorstellen. Und solange am nächsten Morgen um 8 Uhr keine Vorlesung ist, darf es für ihn ruhig etwas später werden…