Resi, Waltraud, Evie, Elle, Maisie, Tia und Luna. Was haben alle gemeinsam? Richtig, es sind Frauennamen. Und gleichzeitig eine ganz neue digitale Entwicklung, die zur Zeit immer mehr Aufmerksamkeit erfährt: conversational journalism.
Von Katharina Ernst
Man chattet mit einem Bot, einer Art Roboter, der auf eigene Anfragen reagiert. Das ganze funktioniert ähnlich wie Sprachsteuerungen wie Siri, Alexa und Cortana, nur eben schriftlich statt mündlich.
So ist es zumindest bei RESI: Die App gibt es seit letztem Jahr, programmiert hat sie ein Startup in Berlin. RESI ist eine Nachrichtenapp, die dem Nutzer anschaulich und spielerisch die wichtigsten neuen Nachrichten übermittelt. Öffnet man die App, wird man mit einer Nachricht und meist einem GIF begrüßt, dann folgt schnell die erste Nachricht. Interessiert man sich für das Thema, kann man weitere Informationen einholen, ansonsten geht man zu dem nächsten Thema über.

Welche Vorteile hat Resi?
Welches Ziel RESI verfolgt, ist ganz offensichtlich. Sie soll die Zielgruppe von 15- bis 25-Jährigen, die nicht viel Kontakt mit den Nachrichten haben, auf dem neuesten Stand halten. Tatsächlich sind 70% der Nutzer unter 34, hat einer der Gründer, Martin Hoffmann, bei einem Gespräch in Berlin verraten; damit ist die durchschnittliche Nutzergruppe deutlich jünger als bei den klassischen Medienangeboten. RESI hebt sich in so ziemlich jeder Hinsicht von diesen ab: Sie ist laut, bunt, grell. Sie ist extrem subjektiv, sie kann Witze machen und ironisch sein. Die AfD mag sie zum Beispiel ganz und gar nicht. Aber das ist auch genau so gewollt.
„Das ist ein klassischer Denkfehler, den viele Medien machen: Wenn man Humor hat, ist man automatisch unseriös. Eigentlich heißt keinen Humor haben nur langweilig sein. Heutzutage hast du keine Chance, wenn du den Nutzer langweilst“.
Für Gründer Martin Hoffmann werden Messaging Apps zunehmend wichtiger, sie sind aus der digitalen Entwicklung nicht mehr wegzudenken. Sie sind „total bequem, du kannst sie nebenher nutzen, sie sind zeitunabhängig“ – genau das unterscheidet sie von klassischen Medienangeboten. Für ihn sind Messaging-Apps das, was am Smartphone am besten funktioniert. Das läge an dem direkten Draht, den sie zum Nutzer ermöglichen.
Dies zeigt sich unter anderem auf immer mehr Websites, auf denen man Produkte kaufen kann. Digitale Servicekräfte bieten an, einen beim Kauf zu unterstützen: „Willkommen! Kann ich dir weiterhelfen?“ Dass dies bei einigen Menschen zu Skepsis führt, ist nicht verwunderlich. Wie sollen Online-Roboter mir helfen? Die wissen doch gar nicht, was ich will. Aber genau darum geht es. RESI zum Beispiel lernt bei der Nutzung immer mehr dazu und kann sich immer besser an das anpassen, was der Nutzer will. Sie merkt sich, zu welchen Themen ein Nutzer zusätzliche Informationen anfordert oder für welche Kategorien er Push-Nachrichten abonniert. Laut Martin Hoffmann gibt es trotzdem keine Gefahr der berüchtigten Filterblase, da etwa 90% der Nachrichten bei allen Nutzern gleich sind. Das sind die Breaking News, das, was jeder wissen sollte. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Genau genommen soll die App der Filterblase sogar entgegenwirken, indem tägliche ‚Longreads‘ den Nutzern ermöglichen, über den Tellerrand hinauszublicken. Auch vor dem negativen Image von Bots, ausgelöst durch die Debatte um Fake News, hat er keine Angst: „Das ist eine Sau, die gerade so durchs Dorf getrieben wird“, erklärt er. Also: Das wird sich alles bald wieder ändern, in wenigen Jahren kräht da kein Hahn mehr nach.
Eine neue digitale Entwicklung: interaktive Nachrichtenberichterstattung
Messaging-Apps richten sich nicht an die Menschen, die eine Tageszeitung abonniert haben, und nicht mal an die, die täglich abends die Tagesschau gucken. Apps wie RESI richten sich an sehr junge Zielgruppen, die bei den klassischen Medienangeboten eher durch das Raster fallen. Wahltraud beispielsweise, eine Facebook-Messaging-App des WDR, erklärt jungen Facebook-Nutzern sehr zielgruppengerecht, spielerisch und einfach verschiedene Ämter und Funktionen des deutschen Wahlsystems.
RESI sorgt durch die zwischengeschalteten GIFs, Smileys und den angenehmen Dialogcharakter dafür, dass Nachrichten nicht langweilig werden oder man mit den Gedanken abdriftet. Die Gefahr, brisante News dadurch zu verharmlosen, sieht Martin nicht: „Wir haben im CMS die Möglichkeit, sensible Geschichten zu kennzeichnen. Du kannst dir als Nutzer die GIFs auch automatisch ausblenden. Generell glaube ich, dass das Risiko überschaubar ist, weil das die Leute gar nicht so wirklich interessiert. Ich glaube, die können da schon sehr genau unterscheiden.“ Dass beispielsweise das GIF eines tanzenden Bärs hinter eine Anschlagsmeldung des IS mit x Toten geschaltet wird, ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Aber das muss es ja auch gar nicht sein.

Martin Hoffmann ist auf jeden Fall überzeugt, dass wenn man Nachrichten heutzutage neu erfinden würde, es genau auf diese Art und Weise passieren würde: „Es gibt nicht die eine Zukunft des Journalismus, aber ein Teil davon kann sicherlich Journalismus im Messaging-Format sein.“ Wer mit RESI oder Wahltraud noch nicht genug hat, findet auf botlist.co noch viele weitere Social Bots, die unter anderem extra für Kommunikation auf Facebook, mit Amazon Echo oder über Slack konzipiert sind. Wie sich diese Art Kommunikation weiterhin entwickelt, bleibt spannend. Freie Texteingabe nach dem Prinzip von Siri und Co. sieht Martin in näherer Zukunft nicht:
„Von allwissender künstlicher Intelligenz sind wir noch sehr weit entfernt. Das geht vielleicht in anderen Branchen, wenn ich mir eine Pizza bestelle, das ist überschaubar. Aber bei einer Nachrichtenapp, wo es auf Genauigkeit, auf Exaktheit ankommt, da hast du gar nicht die Datenbasis, um einer künstlichen Intelligenz das beizubringen.“
So merkt man bei der Nutzung von RESI recht schnell, dass sie eigentlich sehr simpel gestrickt ist: Ihre Antworten folgen immer demselben Prinzip. Dennoch wird es mit RESI nicht langweilig. Mit Kommentaren wie „Ich habe dich schon vermisst“ oder „Du bist aber hartnäckig heute“ bringt sie einen immer wieder zum Lächeln.
So soll es weitergehen
Martins Schwerpunkt liegt aktuell darauf, die App weiter zu optimieren. Wenn er einige seiner vielen, vielen Ideen umsetzt, wird man sich in Zukunft auf Features wie Sprachsteuerung oder Verbesserungen der Push-Nachrichten freuen dürfen. Auch Werbung wird irgendwann unumgänglich sein. Aktuell ist RESI noch komplett selbstfinanziert und verbreitet sich lediglich durch Mundpropaganda. In Zukunft wird es Unternehmen ermöglicht werden, relevante Nachrichten über RESI zu verbreiten, es wird Werbung geschaltet und vermutlich auch kostenpflichtige Abonnement-Modelle eingeführt werden. Der Nutzer soll über die Zeit eine Bindung zu RESI aufbauen und dadurch auch bereit sein, für die Nutzung zu zahlen. Darüber, inwiefern dies realistisch ist, lässt sich streiten.
Denn das ist bekanntermaßen eine weitere Konsequenz der digitalen Entwicklung: Nachrichten sind frei zugänglich, man erhält sie an sehr vielen Stellen völlig kostenlos. Für die tägliche Tageszeitung zahlt man nicht mehr, weil man die gleichen Informationen online auch kostenlos bekommt. Wenn die eine Seite die Inhalte für nicht-zahlende Nutzer sperrt, geht man eben auf eine andere. Die Medienhäuser leiden natürlich darunter. Es entwickeln sich Bezahlmodelle über Paywalls wie etwa Bild plus, um irgendwie an Geld zu kommen. Genau deswegen muss der conversational journalism Mehrwert schaffen gegenüber den anderen, klassischeren Nachrichtenmodellen. Man muss RESI wirklich so klasse finden, dass man für sie gerne Geld bezahlt, auch wenn man die Informationen auf eine andere Art und Weise günstiger oder sogar kostenlos bekommen kann. Das ist nur eine der Herausforderungen, die sich dieser neuen, sehr innovativen Art des Journalismus stellen. Aber wenn RESI diese und andere Herausforderungen meistert, kann sie einen großen Platz in der Nachrichtenberichterstattung für junge Menschen einnehmen.