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Bonner Theater mit Country: The Broken Circle bewegt mit Schauspiel, Tragik und Musik

Bei der Premiere des Stücks am 18. Februar ist es zu Standing Ovations gekommen. Was bei der Aufführung besonders gut funktioniert hat und an welchen Stellen es etwas wacklig geworden ist: hier in der Rezension.

Von Gerriet Scheben

Trotz stürmischen Wetters waren die Reihen der Werkstattbühne gut gefüllt. Noch bevor das Bühnenlicht anging, ließ sich erkennen, dass die Spielfläche abgedeckt worden war und ein eingelassener Wasserkanal die Szenerie zertrennte. Es fielen auch Reifenstapel und karge Bäumchen ins Auge. Dann ging es los, mit Gitarrenklängen und einer direkten Ansprache ans Publikum.

Bluegrass, Gott und leidenschaftlicher Beziehungsbeginn

Elise (Julia Kathinka Philippi) und Dedier (Daniel Stock) erzählen im Stück ihre tragische Liebesgeschichte, begleitet wird das Ganze von Live-Musik von Phillip Breidenbach.

Didier singt und spielt Banjo in einer Bluegrassband und ist begeistert von Amerika. Bluegrass ist eine Richtung des Country-Genres, die nach dem „Father of Bluegrass“ Bill Monroe und seiner Band „The Blue Grass Boys“ benannt wurde und ca. im Lauf den 1940er Jahre aufkam. Eine Definition nach Thomas Goldsmith lautet: It is an expansive, twentieth-century, acoustic string-band music based in traditional styles, including fiddle tunes, blues, and southern church music […].“[1].

Dedier geht in der Musikrichtung mit kirchlichem Einfluss auf, glaubt aber nicht an Gott und trinkt, um tiefsitzende Schmerzen zu ertragen. Er trifft auf die freigeistige, lebensfrohe und unangepasste Tätowiererin Elise, die zwar die Herkunft aus äußerst schwierigen Verhältnissen mit ihm teilt, aber ansonsten grundlegend anders tickt. Trotzdem finden sie zueinander, können gar nicht genug voneinander kriegen und fangen an, beide in der Bluegrassband zu singen.

Die familiäre Vergangenheit verfolgt Elise und Dedier

Das Glück des hoffnungsvollen Paars wird bald überschattet. Foto: Thilo Beu

Die beiden benennen sich kurzerhand in Monroe(!) und Alabama um. Damit verneigen sie sich einerseits in Richtung Country-Musik und legen andererseits ihre bürgerlichen Namen ab, um Abstand von ihrer unschönen Vergangenheit und den überschattenden familiären Problemen zu gewinnen.

Stattdessen schaffen sie ihr eigenes Familienidyll mit Tochter Maybelle (benannt nach „Mother“ Maybelle Carter) und selbstgebauter Hütte. Bluegrass und eine klaglose Geschichte mit Happy End passen aber leider nicht zusammen und so wird der Zusammenhalt der jungen Familie mit aller Härte auf die Probe gestellt.

Unerträgliche Tragik erträglich gemacht

Die gezeigte Geschichte ist inhaltlich unerträglich tragisch. Sie erzählt von einem herzzerreißenden Verlust und beinhaltet dunkle Themenkomplexe, wie die Frage nach der Belastbarkeit einer Liebesbeziehung, der Vorbestimmung durch die familiäre Vergangenheit und der Sinnsuche in einer Welt, die stellenweise allzu sinnlos erscheint.

Die Art und Weise in der erzählt wird schafft hierzu ein tröstliches Gegengewicht und macht die Darstellung des Leides gerade so erträglich. Erzählerische Rücksprünge in die Kindheit des Paares werden bspw. durch komödiantische Verkörperungen der kindlichen Rollen und der unausstehlichen Eltern aufgelockert. Auch die Darstellung des liebe- und fantasievollen Umgangs mit ihrer Tochter streut hoffnungsvolle Momente über die schwerverdauliche Erzählung.

Die Inszenierung ist absolut sehenswert

Requisiten werden generell sehr kreativ in das Stück miteingebunden. Reifen hüpfen mal als Jojo auf und ab, versinnbildlichen den Tod mit einem Aufklatschen im kleinen „Fluss“, der die Bühne trennt oder überrollen Monroe als Berg der Schuldzuweisungen. Die Kostüme sind toll gelungen und es gibt willkommene kleine Wechsel, die für dringend benötigte Aufheiterung sorgen.

Entsprechend der fantasievollen Bilder, die inhaltlich erzeugt werden, strahlt die Beleuchtung die Bühne akzentuiert an und beflügelt damit die Gedankenwelt des Publikums. Durch wiederkehrende Motive, gut platzierte und thematisch passende Country-Gesangseinlagen sowie zeitliche Sprünge verdichtet sich das Stück zu einer absolut sehenswerten Inszenierung.

Überzeugende Musik und grandiose Darstellende

Das Zusammenspiel von Julia Kathinka Philippi und Daniel Stock überzeugte. Foto: Thilo Beu

Die musikalische Begleitung überzeugte während der Premiere durchgehend. In Hinblick auf den Gesang lässt sich höchstens anmerken, dass die Stimmen der Darstellenden bei manchen Duetten etwas wacklig waren. Das ist aber durch deren hohen körperlichen Einsatz und ein enormes Tempo fast ohne Pausen und Übergänge vom Sprechen zum Singen völlig vertretbar.

Die beiden Schauspielenden rannten über die Bühne, machten sich schmutzig und spielten die komplette Bandbreite menschlicher Emotionen ab. Das resultierte in einer mitreißenden schauspielerischen Leistung, die durch die grandiose Dynamik und Chemie zwischen den Darstellenden glänzte.

Es lohnt sich The Broken Circle live anzusehen, sogar für Leute, die mit Country wenig anfangen können. Bis zum 28. April wird das Stück in der Werkstadt Bühne bei der Bonner Oper zu sehen sein. Karten gibt es unter:

https://www.theater-bonn.de/de/programm/the-broken-circle/193110


[1] Zitiert aus: Thomas Goldsmith (2004): The Bluegrass Reader. Urbana und Chicago: University of Illinois Press, S.1.

Fotos: Thilo Beu

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