
Bild: Merlin Rossbach
Die Ermekeilkaserne in der Bonner Südstadt soll ab Herbst Flüchtlingen als Unterkunft dienen. Die Stadt plant eine Containersiedlung im Innenhof – ein Vorhaben, das sehr gemischte Reaktionen hervorruft und die Frage aufwirft, wann eine Unterbringung menschenwürdig ist.
Nach Angaben der UN Flüchtlingsorganisation UNHCR sind derzeit etwa 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Hunderttausende von ihnen bitten in Europa um Asyl, weil sie in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Sie flüchten vor staatlicher Verfolgung oder Bürgerkriegen. In Deutschland wurden im Jahr 2014 202.834 Asylanträge gestellt – eine hohe Zahl, die viele Kommunen vor akute Probleme stellt. Sie sind zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet, wissen aber oft nicht, wo sie diese unterbringen sollen.
Flüchtlinge in Bonn

Bild: Merlin Rossbach
In Bonn leben momentan 829 Asylbewerber/innen und Flüchtlinge, die dezentral auf Wohnheime und andere Unterkünfte verteilt sind. Im Herbst 2015 werden 80 weitere Asylanten hinzukommen. Sie sollen auf dem Gelände der ehemaligen Bundeswehrkaserne in der Bonner Südstadt untergebracht werden. Allerdings sehen die Pläne der Stadt nicht eine Unterbringung in den Gebäuden vor, sondern stattdessen den Aufbau mehrerer Container im Innenhof der Ermekeilkaserne. Dieses Vorhaben stößt auf Protest, insbesondere bei den Mitgliedern der Ermekeilinitiative.

Bild: Merlin Rossbach
Die Bürgerinitiative setzt sich seit dem Auszug der Bundeswehr 2013 für eine Neugestaltung und ökologisch und sozial nachhaltige Nutzung der Kaserne ein. Sie plädieren für eine “menschenwürdigere” Unterbringung der Flüchtlinge in den Gebäuden. Die Stadt Bonn hat inzwischen erklärt, dass sie auch einen möglichen Umbau der Innenräume der Kaserne in Betracht ziehen werde. Ob diese Variante kostengünstiger ist als ein 2,4 Mio. Euro teures Containerdorf, steht noch nicht fest. Ebenso wird nun geprüft, ob es günstiger ist, die Menschen in den Gebäuden und nur die sanitären Anlagen in Containern unterzubringen. Viel Zeit bleibt der Stadt allerdings nicht mehr für eine Entscheidung, denn aufgrund der bürokratischen Hürden wird ein Umbau der Räumlichkeiten sicherlich mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Krisensituation in Schwerte

Bild: Helfmann CC BY-SA 3.0
Die Kleinstadt Schwerte bei Dortmund hat in den letzten Tagen mit ihrem Vorschlag für eine Flüchtlingsunterkunft ebenfalls für großen Wirbel gesorgt. Sie plant, Asylanten in einem ehemaligen Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald unterzubringen. Konkret geht es um eine Baracke aus den 1950er Jahren, die 21 Männern als neue Wohnung dienen soll. Die Stadtverwaltung argumentiert unter anderem damit, dass auf dem Gelände bereits ein Waldorf-Kindergarten und in den 1990ern während der Jugoslawienkriege auch schon einmal Flüchtlinge untergebracht waren. Außerdem seien Container zurzeit wegen der hohen Nachfrage kaum zu bekommen. Das Vorhaben wird von vielen Stellen scharf kritisiert, vor allem von Flüchtlingsorganisationen, die den Plan für sehr bedenklich halten. Aufgrund der Nazi-Vergangenheit des Geländes könne man dort keine Menschen unterbringen, die größtenteils selber Verfolgung und Folter erlebt haben.
Wann ist eine Unterkunft menschenwürdig?
Eine menschenwürdige Unterkunft zu definieren ist nicht einfach, denn es gibt hierfür keine festen Standards. Die meisten staatlichen und gemeinnützigen Organisationen sind sich aber einig, dass eine menschenwürdige Unterkunft Möglichkeiten für Privatsphäre – also private Rückzugsorte – bieten muss, dass sie sauber, trocken und ausreichend groß sein muss, über sanitäre Anlagen und eine Küche verfügen sollte und außerdem in der Nähe von Einkaufs- und Beratungsmöglichkeiten, sowie Schulen und Kitas liegen sollte.
Für viele Städte und Kommunen in Deutschland stellt schon die Erfüllung dieser Mindeststandards ein Problem dar, denn Wohnraum ist allgemein vielerorts Mangelware. Eine Auslagerung der Asylantenwohnungen erschwert wiederum eine gute Integration und bedeutet oft eine schlechte Infrastruktur vor Ort. Ideenreichtum und kreative Konzepte sind hier gefragt, um den Menschen nicht nur ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern ein wirkliches Zuhause, in dem sie sich von den Schrecken und Strapazen erholen können, die hinter ihnen liegen.
Was Flüchtlinge wirklich brauchen
Das Wichtigste für Flüchtlinge aus Krisengebieten ist wohl erst einmal, dass sie ein neues Zuhause bekommen, in dem sie sich sicher und geborgen fühlen können. Ein Zuhause, das eben nicht mehr wie ein Flüchtlingslager wirkt, sondern wie ein echtes Heim mit eigenen Privaträumen, Bad und Küche. Die Dinge, die für uns auch selbstverständlich sind. Notlager in Turnhallen, Baumärkten oder anderen Großräumen, in denen sich bis zu 20 Personen ein Bad und eine Küche teilen müssen, dürfen nur genau das sein – eine vorübergehende Notlösung. Für eine dauerhafte Aufnahme von Asylanten sind solche Unterkünfte nicht geeignet. Gleichzeitig ist es wichtig, eine Ghettobildung zu verhindern und Flüchtlinge nicht in ausgelagerten Stätten unterzubringen, sondern an Orten mit einer vorhandenen und funktionierenden Infrastruktur.
Diese Standards sollten bei der Bewertung von möglichen Flüchtlingsunterkünften an erster Stelle beachtet werden. Welche Vergangenheit ein Ort hat, spielt dabei wohl eher eine untergeordnete Rolle. Wie ein Flüchtlingshelfer aus Schwerte es formulierte: für die Menschen, die hier nach monatelanger Flucht ankommen, ist es irrelevant, was vor Jahrzehnten einmal auf dem Gelände ihrer neuen Wohnung geschehen ist. Viel schlimmer ist für sie die Ausländerfeindlichkeit, die ihnen aktuell von einem Teil der deutschen Gesellschaft entgegengebracht wird.