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Von der kleinen Idee zum großen Projekt

„Einfach machen!“, sagen sie. Und sie haben gemacht: Lara und Eliana gründeten vor rund zwei Jahren zusammen mit anderen klugen Köpfen ein gesellschaftspolitisches Interviewmagazin. Der Weg bis dahin war nicht immer leicht – und einfach ist es bis heute noch nicht. Doch das Ziel, unsere Welt durch ihre Arbeit ein kleines Stückchen besser zu machen, treibt sie an.

Von Kathrin Ude

In Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist die Antwort des Supercomputers auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem, „42“. Nicht, dass die Forscher im Film, geschweige denn die Zuschauer, mit dieser Antwort etwas anfangen könnten. Sie scheint sinnlos und unlogisch, aber sie zeigt uns, dass es auf solch umfangreiche Fragen und Probleme nicht die eine richtige Antwort gibt. Komplexe Diskussionen erfordern auch komplexe Antworten, im günstigsten Fall aus verschiedenen Perspektiven. Das finden auch Eliana und Lara: „Viele Debatten werden heutzutage ziemlich oberflächlich geführt, weil kaum einer noch Zeit und Energie hat, sich in ein Thema gründlich einzuarbeiten. Jeder redet aus einer ungefähren politischen Einstellung heraus, aber die Wenigsten haben alles verstanden. Dabei ist genau das so wichtig: sich einen Pool von Wissen anzueignen, der es einem ermöglicht, Dinge auch aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus beurteilen zu können.“ In Anspielung auf den Filmklassiker haben sie das Magazin schließlich 42 getauft.

“Wir wollen etwas verändern.”

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1. Ausgabe von 42 zum Thema “Terrorismus”. © 42 Magazine

Vor mir sitzen zwei junge und aufgeweckte Frauen, denen ich sofort anmerke, dass 42 ihr Herzensprojekt ist. Wir haben uns in einem Café verabredet, sitzen um einen kleinen Metalltisch herum und ich stelle mir im Laufe unseres Gesprächs immer wieder die Frage, wie sie das alles unter einen Hut bekommen. Beide wohnen in Bonn, Eliana absolviert ein Volontariat beim Kölner Stadtanzeiger, Lara schreibt gerade ihre Master-Arbeit und arbeitet außerdem noch Teilzeit in einer Galerie. Ob bei all dem noch Zeit für Freunde und Freizeit bleibt? „Ich finde tatsächlich, die größte Einschränkung ist, dass wir es kaum noch schaffen, uns mal NICHT über 42 zu unterhalten, wenn wir uns privat treffen“, sagt Lara. Denn ihr Wunsch, etwas in den Köpfen der Leute verändern zu wollen, ist so groß, dass sie dafür gerne zurückstecken.

Als ihre Freundin Christine eines Tages mit der Idee vor ihnen stand, ein gesellschaftspolitisches Interviewmagazin zu gründen, waren beide sofort begeistert. „Wir haben alle zusammen gebrainstormt, und dann ist es irgendwann passiert. Christine hat sozusagen das Konzept geliefert, und alles andere hat sich mit der Zeit entwickelt. Mittlerweile schreibt sie Romane und ist nicht mehr Teil von 42.“, erklärt Eliana. „Wir haben im Laufe dieses Prozesses auch immer wieder darüber diskutiert, was wir genau unter gesellschaftspolitisch verstehen, worum es eigentlich gehen soll. Letztlich wollen wir Themen aufgreifen, die unsere Gesellschaft und die Politik bewegen und sie aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.“ Die Sicht der Sozial- und Politikwissenschaften spiele dabei ebenso eine Rolle wie die der Psychologie, Kunstgeschichte oder Medienwissenschaft. Je vielfältiger, desto besser. Mittlerweile besteht jede Ausgabe aus zehn Interviews, die sich alle auf ihre Weise mit dem Diskussionsgegenstand auseinandersetzen.

“Nachdem wir die ersten Gespräche mit den Experten geführt hatten, war klar, dass wir liefern mussten.”

Bis sich aus einer kleinen Idee schließlich ein konkreter Plan entwickelt, kann dauern. Ich kenne das auch – meistens allerdings in anderen Dimensionen: Nur weil ich weiß, auf welches Essen ich gerade Hunger habe, heißt das noch lange nicht, dass ich auch weiß, wie ich es kochen muss. Wie kompliziert muss es dann erst sein, wenn es darum geht, ein Magazin ins Leben zu rufen? Wo fängt man an? Und wie?

Eliana erinnert sich, dass sie einfach mit der Suche nach geeigneten Interviewpartnern begonnen haben, als das Thema der ersten Ausgabe feststand: Terrorismus. „Und als wir die hatten, gab’s kein Zurück mehr.“ Dadurch, dass ihr Team aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen besteht, ist die klare Zuteilung der einzelnen Gebiete auch immer schnell erledigt. „Wir überlegen uns, welche Facetten und Fragen zu dem Thema interessant sind und teilen sie im Team auf. Diejenigen müssen sich dann selbst darum kümmern, Leute zu finden, die für ein Interview in Frage kommen.“ Alles Weitere habe sich dann von selbst entwickelt. Dass sie beispielsweise online erscheinen und nicht in gedruckter Version, habe schlichtweg daran gelegen, dass ihnen das Geld dafür fehlte. „Wobei es ja ohnehin so ist, dass die meisten Leute eher online lesen, statt sich eine Zeitschrift zu kaufen“, fügt Lara hinzu.

Welch große Bedeutung die Vielfältigkeit bei 42 hat, wird nicht nur durch den Titel und die verschiedenen Interviewansätze deutlich, sondern auch dadurch, dass das Magazin dreisprachig erscheint – auf Deutsch, Englisch und Französisch. Warum? „Zu der Zeit, als 42 entstanden ist, waren Themen wie der Brexit oder der Aufschwung der AfD sehr aktuell, Europa drohte ein bisschen zu verfallen. Daher kam uns der Gedanke, das Magazin auf drei Sprachen rauszubringen, um auch die Kommunikation innerhalb Europas anzuregen“, sagt Eliana. „Und das geht eben nicht, wenn man nur auf Englisch oder nur auf Deutsch publiziert. Gerade die Franzosen spielen in den ganzen internationalen Debatten ja auch eine wichtige Rolle.“ Wie gut, dass sie studierte Romanisten, Anglisten und Germanisten in ihren Reihen haben, die die Interviews auf der jeweiligen Sprache führen oder sie übersetzen können.

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2. Ausgabe von 42 zum Thema “Nationalismus”. © 42 Magazine

Südafrika, USA und Frankreich – Das Team ist auf der ganzen Welt verteilt    

Durch meine Vorbereitung auf das Gespräch mit den Beiden wusste ich, dass hinter 42 nicht nur eine Handvoll Mitarbeiter steht, die mal eben ein Interview führen und veröffentlichen. Aber als ich erfahre, dass aktuell mehr als 50 Leute daran beteiligt sind, bin ich im ersten Moment doch etwas sprachlos. Von so viel Unterstützung können die meisten wohl nur träumen, die etwas Eigenes auf die Beine stellen wollen.
Etwa zehn leitende Positionen haben sich mit der Zeit herausgebildet; dazu zählt die Chefredakteurin Lena und die Redaktionsleitung – bestehend aus Lara und Eliana. Viele von ihnen haben eine Zeitlang im Ausland gelebt, u.a. in Paris oder London, und so hat sich auch das Team nach und nach aus internationalen Bekannten zusammengesetzt. Mussten sie am Anfang noch gezielt nach neuen Kollegen Ausschau halten, ist es inzwischen sogar so, dass sie Anfragen bekommen. „Es melden sich Leute bei uns, die mitmachen wollen, weil sie durch irgendjemanden von 42 erfahren haben und unsere Arbeit toll finden“, berichtet Lara zurecht mit ein bisschen Stolz.

“Wenn man endlich wieder zum Schlafen gekommen ist und statt Kaffee Wasser trinkt, weiß man, dass es sich gelohnt hat.”         

So ein großes Projekt bringt einen aber auch an seine Grenzen. „Natürlich gab und gibt es immer wieder Momente, in denen man sehr gestresst ist, gerade, wenn es auf die Veröffentlichung zu geht. Es kam auch vor, dass uns kurzfristig Übersetzer abgesprungen sind und wir händeringend nach Ersatz suchen mussten. Aber wenn man die fertige Ausgabe dann vor sich hat, ist man am Ende einfach nur glücklich“, strahlt Eliana. Oder wenn koffeinhaltige Getränke wieder durch einfaches Wasser ersetzt werden. „Zu sagen, wir hätten keine Probleme gehabt, wäre gelogen“, gibt Lara zu, „aber es war nie so, dass das komplette Magazin auf der Kippe stand.“
Eine der anspruchsvollsten Herausforderungen sieht sie darin, in einem so großen Team kommunizieren zu müssen. Besonders, wenn viele weder in derselben Stadt, noch im selben Land leben, und die Redaktionskonferenzen ausschließlich über Skype abgehalten werden können. „Alle immer wieder aufs Neue zu motivieren, weiterzumachen, wenn man für seine Arbeit nicht bezahlt wird und nur aus reinem Idealismus an dem Projekt hängt, ist nicht immer einfach. Aber ich glaube, dass wir mit der Zeit sehr weit gekommen sind und auch viel verändert haben.“

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Eliana (links): 23, studierte Politik, Soziologie und Psychologie. Lara (rechts): 27, macht ihren Master in Nordamerika-Studien. © Kathrin Ude

Gedanken darüber, was passiert, wenn es mal nicht mehr so gut läuft wie gerade, machen sie sich keine. Dafür sind sie mit zu viel Leidenschaft und Optimismus dabei. Im November erscheint die neue Ausgabe, dieses Mal rund um das Thema Digitalisierung. Welche Pläne haben sie sonst noch? „Als Nächstes steht an, dass 42 ein Verein wird, um zu unterstreichen, dass es ein Non-Profit-Magazin ist, bei dem es wirklich darum geht, etwas zu verändern. Und natürlich wollen wir viele neue Leser generieren, auf der ganzen Welt. Und das muss über Werbung funktionieren. Über kurz oder lang werden wir uns dafür auch jemanden ins Boot holen müssen, der wirklich etwas davon versteht.“ Und wenn sie eines Tages dann sogar einen Teil ihres Lebensunterhaltes dadurch bestreiten könnten, hätten sie es wohl geschafft.

Umdenken und hinterfragen, statt einfach zu akzeptieren      

Dabei haben sie schon jetzt etwas geschafft, was auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen zu hochgegriffen scheinen mag, aber womöglich genau das ist, was so wichtig ist: Lara, Eliana und das gesamte Team von 42 denken nicht klein, bescheiden oder zögerlich. Sie haben sich eine Plattform geschaffen, auf der sie ihre Gedanken und Ideen mit allen teilen, die bereit sind, ihre bisherigen Meinungen zu überdenken oder sich auf etwas Neues einzulassen. Grenzen jeglicher Art werden dabei überwunden, sowohl sprachlich als auch fachlich. Sie wollen zeigen, dass es auf die großen Fragen, die unsere Gesellschaft gerade vielleicht eher spalten statt sie enger zusammenzuführen, nicht die eine richtige Antwort gibt – auch, wenn viele bis heute dieser Meinung sind.

Als ich abends auf dem Weg nach Hause bin, erinnere ich mich an ein Gespräch zwischen einem älteren Ehepaar, das ich vor Kurzem in der Bahn mitbekommen habe: Die jungen Leute heutzutage seien ja nicht mehr dazu bereit, mehr zu arbeiten, als nötig. Was denn mit der Jugend los sei, und ob sie sich denn nicht im Klaren wären, dass man arbeiten müsse, um sich etwas leisten zu können? Tja… Würde ich den Herrschaften nochmal begegnen, würde ich ihnen dringend ans Herz legen, die Interviews von 42 zu lesen. Denn dann wüssten sie, dass es in unserer Generation durchaus Leute gibt, die bereit sind, mehr als nötig zu arbeiten, weil sie sich für etwas einsetzen, etwas verändern wollen. Und wenn sie dann auch noch „Per Anhalter durch die Galaxis“ guckten, würde ihnen womöglich auch klar, dass es falsch ist zu glauben, immer schon die goldene Antwort auf jegliche Fragen parat zu haben.

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