2015 Februar 2015: Wohnen

Ein gelber Regenschirm verändert die Welt

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Foto: Sarah Köksal

Wie arbeitsame Ameisen in einer gerade Linie, so streben die Hong Konger nach mehr, mehr, mehr. Es geht um Geld, Besitz und Status – die „Ich liebe Geld“- Kultur kennt keine Grenze nach oben.

Hohe Mieten, kleine Wohnungen und endlose Sozialausgaben haben die Gier der Menschen aufgescheucht und wütend gemacht/geschärft. Wer es für normal hält, dass nur Wohlhabende sich Krankenversicherung und Schulgeld leisten können, der weiß, dass man in dieser Stadt selbst für ein gewöhnliches Leben einiges an Kleingeld braucht.

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Foto: Sarah Köksal

Grenzen markieren

Doch der Materialismus und gesellschaftliche Druck hat in der Occupy Central Bewegung einen neuen Gegenpol gefunden. Zu Beginn der Bewegung im September 2014 stürmten junge Menschen auf die Straßen, besetzten eine achtspurige, innerstädtische Autobahn und brachten laut ihren Unmut zum Ausdruck. Wo vorher keine Grenze sichtbar war, markierten die jungen Hong Konger sie nun deutlich, gegenüber den städtischen Autoritäten und Peking, vor den versammelten Augen der international Presse.

Sie demonstrierten gegen die Lebensbedingungen in ihrer Stadt, den Mangel an Mitbestimmung und die Regierung, die das Interesse der Bevölkerung zu oft hinten anstellt. Auf einmal stellten sie das System, in dem sie aufgewachsen sind, in Frage: müssen wir eigentlich alles tun, was von uns verlangt wird? Wieso eigentlich? Während den Protesten waren alle sozialen Verhaltensregeln außer Kraft gesetzt: Fremde behandeln sich wie alte Freunde, Rücksicht verwandelt sich in Ausgelassenheit und statt der sonst so vorherrschenden Gier kommt Großzügigkeit zum Vorschein.

Occupy Central Hotel – Wiedererleben der Proteste

Auch wenn die Occupy Central Bewegung bisher folgenlos blieb, hat sie weiterhin einen besonderen Ort in den Herzen der Protestierenden inne. Wai Ho, 29, behauptet: „Während den Protesten kam die beste Seite unserer Stadt zum Vorschein. Normalerweise stören mich so viele Dinge an Hong Kong, aber als wir anfingen es auszudrücken, war das sehr befreiend. Dadurch konnten wir auf einmal wieder schöne Aspekte entdecken.“

Foto: Sarah Köksal
Foto: Sarah Köksal

Um ein besonderes Denkmal bemühten sich die Betreiber des Occupy Central Hostels in Causeway Bay. Dort haben sie die Zelte, in denen die Demonstranten zeitweise campierten, die Kunstwerke, Protest-Banner und sogar Protest-Toilettenpapier mit dem Gesicht des Hong Konger Regierungschefs zusammengetragen. Für nur 78 Hong Kong Dollar kann man dort eine Nacht das Gefühl der Demonstrationen nacherleben und im Zelt übernachten.

Zu viel zu verlieren

Neben einen Mitfünfziger aus Mexiko und einem Dreadlocks tragenden Litauer, haben sich auch einige chinesische Gäste im Hostel eingefunden. „Was ist eigentlich Occupy Central?“, fragt eine Studentin aus Peking „Worum ging es da noch einmal? Schon wieder vergessen…“.  Auch der Mexikaner und der Litauer sind keine bedingungslosen Unterstützer der Occupy Central Bewegung. „Wenigstens ist es billig hier“, bemerken sie kühl und beginnen darüber zu fachsimpeln, warum die Bewegung zwar so viele Menschen mobilisieren konnte, aber dennoch folgenlos blieb. „Die Honger Konger haben zu viel zu verlieren.“, mutmaßt der Mexikaner. „Die wollen lieber das erhalten, was sie schon erreicht haben. Das geht aber nicht, wenn man wirklich etwas verändern will.“

Am Ende geht es eben doch nicht allen um die Verbesserung der Gesellschaft, sondern manchen geht es um mehr, mehr, mehr Dim Sum in teuren Restaurants in der Innenstadt oder endlich mal ein Auto zu besitzen. Doch ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt mit dem gelben Regenschirm, der wenigstens eine Veränderung angestoßen hat und etwas ins Rollen gebracht hat. Zwar besteht der Großteil der Stadt immer noch aus grautönigen Hochhausblöcken, aber in einer kleine Wohnung in Causeway Bay lebt die Protest-Stimmung in Denkmalform weiter und ein gelber Regenschirm ist kein Alltagsgegenstand, sondern ein Grund zum Träumen.

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