2015 Aktuelles Juni 2015: Grenzüberschreitung

An der Grenze zwischen Lust und Leid

Leben nur nach Lust und Laune? Schon die alten Griechen haben über diese Frage gestritten. Bild: alberto a.s. / flickr.com unter CC BY-NC-ND 2.0
Leben nur nach Lust und Laune? Schon die alten Griechen haben über diese Frage gestritten.
Bild: alberto a.s. / flickr.com unter CC BY-NC-ND 2.0

Lust anzustreben ist eine durchaus philosophische Handlung. Nach der rechten Stellung des Menschen in einer fragwürdigen Welt zu fragen, und erfahren zu wollen, wie man glücklich wird, taten auch schon die alten Griechen.

Im späten Griechentum entstand eine Ratlosigkeit der Menschen über den Sinn ihres Daseins, so entschied Epikur als das Wesentliche im Leben das Glück anzusehen. Die Seele könne sich nicht vom Leib lösen, daher solle man sich nicht auf das Jenseits vertrösten lassen, sondern sein Leben im Hier und Jetzt leben – aus dieser empiristischen Orientierung heraus kam wohl später auch die starke Ablehnung der Epikureer durch die Christen.

Epikur wird oft als Hedonist gesehen, hierbei darf man ihn aber nicht unter dem allgemeinen Alltagsverständnis des Wortes „Hedonist“ einordnen. Er dachte durchaus nicht, dass der Mensch mit Verschwendungssucht auf Dauer einen Lustgewinn erhalten könne. Epikurs Rezept für Glück war nicht einfach das Leben nach dem größt möglichen Lustgewinn zu gestalten, sondern die Vermeidung von Schmerz, so definiert er Glück.

Das Maß macht das Glück

Das Glück erreiche man durch ein Gleichmaß der Seele, man solle also extreme Begierden und Leidenschaft abstellen. Das Prinzip, welches dahinter steht, soll den Menschen von der Plage von sowohl Leid als auch Lust befreien, ihm also ein selbstgenügsames Leben ermöglichen. Nur so könne man die Abwesenheit von Unlust erreichen, somit den Seelenfrieden und endlich glücklich sein!

Die Vernunft spielt hierbei eine zentrale Rolle. Nur durch vernünftiges Verhalten und Denken könne der Mensch die Selbstgenügsamkeit erreichen. Wer unvernünftig ist und zum Beispiel alle seine Süßigkeiten direkt aufisst, wird im Nachhinein traurig darüber sein, dass er nun gar keine mehr hat!

Das Vernunftprinzip kennen wir wohl schon alle von Kleinauf. Doch wie erreicht man am besten das Gleichmaß der Seele, sodass man sich nicht in einer zu extremen Lusterfüllung auf einmal im Leid wieder findet?

Freiheit garantiert Selbstgenügsamkeit

Epikur argumentiert hier mit der Freiheit, diese brauche man, um selbstgenügsam leben zu können. Man solle sich von der Öffentlichkeit fern halten, vom politischen Leben und nicht nach Ehre, Reichtum und Einfluss streben. An die Stelle der Öffentlichkeit tritt nun die Freundschaft und die Familie.

Freundschaft ist ein unglaublich wichtiger Aspekt für das eigene Glück, wer anderen etwas Gutes tut, bekommt Gutes zurück, Freunde helfen sich gegenseitig, sind füreinander da. Abzustreiten ist also nicht, dass sie einen glücklich machen.

Glück durch Philosophie?

Mit Freunden könne man die Entzückungen des Geistes teilen: Das Anhören von Musik, das Betrachten von Kunst und natürlich: das Philosophieren. Diese Art von Lusterfüllung sei nämlich gut für das Gleichmaß der Seele. Das Maß kann aber deutlich von Angst vor einer grausamen und beunruhigenden Welt, die über die Menschen verfügt, gestört werden.

Nach Epikurs Lehre besteht die Welt aus Urteilchen, die vollkommen zufällig Verbindungen eingehen und sich trennen, womit sie den Weltlauf bestimmen. Alles geschieht also aus Zufall und ist uns nicht vorherbestimmt. Vor den Göttern soll man sich auch nicht fürchten, diese existieren zwar, doch haben sie keine Möglichkeit, in den Weltlauf einzugreifen. Der Mensch kann sein Leben also vollends selbst bestimmen, und zum Glück führen.

Fürchte nicht den Tod

Der Tod soll auch nicht gefürchtet werden, da für uns nur das wirklich ist, was wir empfinden können, da wir im Tod aber keine Empfindungen haben, ist dieser Nichts, und so nicht zu befürchten. Epikur sieht den Menschen als einen Teil der Natur, er solle also sorgsam und nicht verschwenderisch mit der Welt umgehen.

Von der Vernunft geleitet kann er sein Leben, das nur vom Zufall abhängig ist, leiten und muss dabei versuchen, weder von Schmerz noch von Lust geplagt zu werden, er soll also dazwischen stehen. Sehr wichtig, um zum Glück zu kommen, ist auch das: Nur erfüllbare Bedürfnisse sich erhoffen und versuchen, zu erfüllen!

Die Stoa sieht die Pflicht an erster Stelle

Im Gegensatz dazu stehen die Stoa. Ihr Begründer, Zenon, sah Epikurs Lust als eine „Verführerin“ an ihre Stelle setzt er die Pflicht. Die Welt sei determiniert, das Schicksal lenke also den Mensch, so müsse er sich fügen, um glücklich zu sein.

Dar zu leitet Zenon 3 Grundhaltungen ab:

  1. Die Apathie: Der Mensch solle leidenschaftslos leben, also unabhängig von seinen Leidenschaften.
  2. Die Attaraxie: Sich nicht von Leid oder Freude erschüttert lassen
  3. Die Autarkie: selbstgenügsam leben, zufrieden mit dem sein, was man hat und was einem geschieht.

Ein Stoiker lässt sich also von keinem Ereignis in seinem Leben aus der Bahn werfen, alles ist vorherbestimmt und auch vergänglich. Diese Seele müsse unerschütterlich gegenüber von Schicksalsschlägen sein, nur so könne der Mensch pflichtgemäß handeln.

Politisches Engagement als Pflicht

Ein Rückzug aus der Öffentlichkeit ist somit nicht mehr möglich, man müsse sich den Pflichten, die man dem Staat gegenüber hat stellen und sich politisch engagieren. Das soll helfen, die Krisen im Leben zu überstehen, und trotzdem glücklich zu sein.

Kein Affekt trifft den Stoiker, weder Krankheit, Tod, noch starke Freude, so ist er ausgeglichen und glücklich. Der Seele wird bei den Stoikern auch eine Unsterblichkeit zugeschrieben, weswegen man auch nicht den Tod Angehöriger bedauern müsse. Nach Erlangen wirklicher Lust klingt diese Lebensweise aber nicht. Zenon wurde mit ihr allerdings 92 Jahre alt, und dies im alten Griechenland! So falsch kann sie also auch nicht sein.

Nachhaltig glücklich mit Seneca

Ein berühmter Vertreter der späteren Stoiker, Seneca, fasste ihre Philosophie zusammen: „Jeder überstürzt sein Leben und leidet an der Sehnsucht nach dem Kommenden. Der hingegen, der jeden Augenblick zu seinem Nutzen verwettend, der jeden Tag so einteilt, als wäre es sein Leben, sehnt sich nicht nach dem folgenden Tag und fürchtet sich nicht davor…“

Um wirklich auf Dauer glücklich zu sein, darf man sein Leben nicht auf ständigen Lustgewinn anlegen. Auch darf man sich nicht zu stark von Affekten leiten lassen, oder in Angst davor leben, was einem passieren könnte. Vernünftig zu handeln und seinen Pflichten nachzukommen, scheint eine gute Weise zu sein, um nachhaltig glücklich zu sein.

Die goldene Mitte

Beide Philosophien haben ihre wahren Punkte, jeder muss wohl aber für sich letztendlich entscheiden, welche Lüste er sich erfüllen mag, nach welchen er streben mag und wann er sich lieber nicht von Wunsch oder Leid plagen lassen will. Eine goldene Mitte scheint nötig zu sein, eine Ausgeglichenheit zwischen Lust und Leid, um Lust auch noch so stark empfinden zu können, wie man es gerne hätte.

Der Philosoph Kallikles sprach davon, sich steigernde Begierden zu erfüllen, doch scheint eine „Pause“ der Lüste hin und wieder angebracht, denn irgendwann sucht man sonst immer nach mehr, und besserem und ist man so nicht eher durchgehend unzufrieden?

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