Foto einer Demonstration für trans* Rechte, eine Person hält ein Plakat mit der trans* Flagge hoch, auf dem die Aufschrift „trans rights are human rights“ steht
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Die Rechte von trans* und Inter* Personen in Deutschland 2020

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren zwar viel für die Gleichberechtigung bestimmter Gruppen getan – doch von einer Gleichberechtigung aller kann man derzeit nicht sprechen. Deshalb ist es wichtig, auf Diskriminierung hinzuweisen, wo sie stattfindet. Einer dieser Orte der Diskriminierung für trans* und Inter* Personen in Deutschland ist das Gesetz. 

 

Von Lisa Pauli


In Deutschland gibt es zwei zentrale Gesetze, die die Rechtslage für trans* und Inter* Personen definieren: Das TSG und das PStG.

Bild der trans* Flagge https://unsplash.com/photos/uUkjeWxSh7c
Bild der trans* Flagge
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Das TSG (Transsexuellengesetz) besteht in verschiedenen Formen seit dem Jahr 1980 und war das erste Gesetz in Deutschland, das es trans* und Inter* Personen ermöglichte, Namens-, sowie Personenstandsänderungen vorzunehmen. Der Personenstand ist der Marker, in dem auf offizieller Seite das Geschlecht einer Person vermerkt wird. Das TSG schafft die Möglichkeit zwischen den binären Geschlechtseinträgen “männlich” und “weiblich” zu wechseln.
Doch einfach war es für Betroffene nie, diese Änderung vornehmen zu können. Bis ins Jahr 2011 galt für Personen, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollten, die Bedingung, dass sie sich sterilisieren lassen mussten und nie heiraten durften. Damit griff das TSG erheblich in das Gebot der körperlichen Unversehrtheit von trans* Personen ein, ein Umstand der jahrelang in der Kritik stand, bevor das TSG dementsprechend aktualisiert wurde und man trans* Personen erlaubte auch ohne Sterilisation ihren Geschlechtseintrag ändern zu können.
Doch auch heute noch (Stand 2020) gibt es erhebliche Hürden, um den Personenstandseintrag ändern lassen zu können. Das Zugehörigkeitsgefühl zum “anderen Geschlecht” (im TSG weiterhin nur binär definiert)  muss seit mindestens drei Jahren bestehen und muss von zwei unabhängigen psychiatrischen oder sexualmedizinischen Gutachten als dauerhaft eingeschätzt werden. Diesen Umstand kritisieren trans* Personen, denn er pathologisiert trans* Identitäten, indem er sie als medizinisches bzw. psychologisches Problem darstellt.
Lange war “Transsexualität” als Perönlichkeits- und Verhaltensstörung im ICD 10 (der bis 2022 gültigen Klassifikation der Krankheiten, engl. International Classification of Diseases) vermerkt. Gruppen wie z.B. der Bundesverband Trans* e.V. fordern seit langem nach mehr Selbstbestimmung und weniger bürokratischen Hürden. Demnach soll eine Erklärung vor dem Zuständigen Standesamt genügen, um den eigenen Personenstandseintrag und Vornamen ändern zu können, ein Umstand, der aktuell auf bundespolitischer Ebene durch Anträge der Fraktion die Linke sowie Bündnis 90/GRÜNE unterstützt wird, aber im Bundestag keine Mehrheit findet.

So funktioniert die strukturelle Diskriminierung von trans* Personen in Deutschland, da ihnen das Recht auf Selbstbestimmung in bestimmten Teilen abgesprochen wird und Fremde über sie entscheiden. Die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung spricht sich ebenfalls für eine Abschaffung der Forderung eines Gutachtens der Bestätigung von Transgeschlechtlichkeit aus, da solche Gutachten “auf Grundlage subjektiver Ansichten erstellt [werden] und [ebendiese] belasten die Betroffenen vor allem psychisch und finanziell. Weiterhin steht diese Praxis im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht von trans* Personen, die nur selber wirklich beurteilen können, welche geschlechtliche Identität sie haben.” 

Ein weiterer kritikwürdiger Aspekt ist auch, dass Urteile der Änderung des Personenstandseintrags rückgängig gemacht werden können, wenn die betroffene Person innerhalb von 300 Tagen nach Urteilssprechung ein Kind gebärt oder ein Kind als das eigene anerkennt, da die aktuelle Auslegung des Gesetzes dies als Grund dafür sieht, dass sich eine Person doch dem bei Geburt zugeschriebenen Geschlecht zugehörig fühlt. Trans* Vereinigungen sehen diesen Umstand, sowie die bis 2011 geltende Version des TSG (die Sterilisation forderte) als Beweis dafür, dass es der deutsche Staat nicht wünscht, dass sich trans* Personen fortpflanzen und eine Familie gründen, eine Form struktureller Diskriminierung. 

 

Logo der Initiative dritte Option, zu sehen sind außerdem drei Kästchen mit m w und d, die man ankreuzen kann, sowie die Beschriftung „Für einen dritten Geschlechtseintrag“
Logo der Initiative dritte option

Der § 45b des Personenstandsgesetzes (PStG) ist ein seit 2018 neuer Teil des Gesetzes, der es Inter* Personen ermöglicht, neben den Geschlechtseinträgen “männlich” und “weiblich” auch die Variante “divers” angeben zu können bzw. den Geschlechtseintrag leer lassen zu können. Diese sogenannte “dritte Option” kann entweder von den Eltern des Kindes bei Geburt vermerkt werden, oder nachträglich geändert werden. Dabei bietet dieses Gesetz erstmals Inter* Personen in Deutschland die Möglichkeit, ihre eigene Geschlechtsidentität abseits von den binären Kategorien männlich und weiblich, die mit vielen Inter* Identitäten nicht zusammenpassen, auf offizieller Ebene anerkennen lassen zu können.

Auch diese Gesetzesänderung erntet von Interessenvertretungen von Inter* sowie trans* Personen Kritik: Es wird zwar als positiv empfunden, dass das deutsche Gesetz abseits der Binarität (Zweigeschlechterordnung) Optionen bietet, doch muss eine Person, die den Eintrag “divers” bekommen möchte eine Intergeschlechtlichkeit vorweisen können und das durch ein medizinisches Gutachten. Ausgeschlossen von dieser Option werden so also alle trans* Personen, die sich z.B. als nicht-binär oder genderqueer definieren, aber nicht Inter* sind. Auch manche Inter* Personen haben Schwierigkeiten, an solche Gutachten ranzukommen, was sie von der Option ausschließt. Betroffene sehen einen Schritt in Richtung weg von Binarität im deutschen Gesetz, der aber noch unvollständig ist. 

Ein weiterer Aspekt der Diskriminierung von Inter* Personen in Deutschland ist die Genitalverstümmelung. Es kommt sehr häufig vor, dass wenn bei der Geburt eines Kindes eine Variation an Geschlechtsmerkmalen festgestellt wird, sich die Eltern des Kindes dazu entscheiden Geschlechtsveränderungsoperationen durchführen zu lassen, um das Kind eindeutig einem Geschlecht zuordnen zu können. Dies geschieht allerdings gegen den Willen des Kindes, da ein Baby keinen Einspruch einlegen kann. Viele Inter* Personen fühlen sich später ihrer körperlichen Unversehrtheit beraubt. Interessenverbände wie der Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V. fordern, dass Eingriffe der Geschlechtsveränderungen nur vorgenommen werden, wenn sie lebens- oder gesundheitsnotwendig sind.

In Deutschland gibt es nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) e.V etwa 60.000 bis 100.000 trans* Menschen, diese strukturellen Probleme betreffen also eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen. Die Vereinten Nationen schätzen den Anteil von Inter* Personen, also Personen die mit “intergeschlechtlichen Merkmalen” zu Welt kommen, in der Bevölkerung sogar auf mindestens 0,05% und bis zu 1,7%, das würde in Deutschland circa 40.000 bis zu 1,4 Millionen Menschen bedeuten.  

Die Rechte von trans* und Inter* Menschen stehen also in Deutschland nach wie vor und solange auf der Kippe bis die Regierung und Rechtsprechung richtige Reformen ihrer Gesetze macht, die die Lebenssituation der Betroffenen tatsächlich verbesserern, vor allem bei der Anerkennung von nicht-binären Identitäten und der Depathologisierung von Transgeschlechtlichkeit steht die deutsche Gesetzgebung erst am Anfang.   

Lisa Pauli
studiert im Master Politikwissenschaft. Zu meinen Interessen gehören vor allem soziale Themen wie soziale Gerechtigkeit, LGBTQ+ Themen, sowie lokaler Aktivismus.

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