2016 März 2016: Luxus & Verzicht

Back to the roots: Eine Woche ohne “Luxushandy”

Eine Woche ohne Internet fähiges Handy, ohne Kontakt zur Außenwelt, solange diese sich nicht bereit erklärt zu telefonieren oder die gute alte SMS zu nutzen. Eine Woche mein heißgeliebter Alleskönner in den “Nokiamodus” versetzt, bei dem lediglich Anrufe, Kontakte und SMS nutzbar sind. Ob das wohl gut geht?

Bilanz: Eine Freundin kurz vor einer Vermisstenmeldung, eine Mutter mit Entzugserscheinungen, ein Freund der die Situation ausnutzte und mein Whatsapp mit Sage und Schreibe 315 Nachrichten zuspammte, und ich, die eigentlich erstaunlich gelassen geblieben bin, trotz vorheriger Überzeugung zu 100% handysüchtig gewesen zu sein.

Während Facebook Feeds, neueste Instagram Bilder oder Snaps von irgendwelchen Pseudo-Instagram-Celebrities ausgetauscht wurden, saß ich nur dort, und schaute mir die Bilder und Statusmeldungen an, die mir etwa einen Centimeter vors Gesicht gehalten wurden. Zwar schielte ich schon etwas neugierig bei Freunden aufs Handy, während diese Jodel, Facebook und Co. durchforsteten, aber den Drang selbst ständig diese Apps zu öffnen, habe ich nicht einmal in dieser Zeit bemerkt. Obwohl ich fest damit gerechnet hatte.

Entzugserscheinungen? Keine Spur!

Schon vor diesem Experiment wurde ich regelmäßig als handysüchtig betitelt und wusste selbst, dass ich den mittlerweile dauerhaften Begleiter eigentlich zu oft in der Hand habe. Doch jegliche Entzugserscheinungen blieben aus. Nach etwa 3 bis 4 Tagen blieb ich selbst dann noch ruhig und ließ mein Handy links liegen, als es ständig klingelte, da meine Mutter via SMS panisch anfragte, ob ich ohne Internet noch überlebensfähig sei.

Zuvor wäre das nicht denkbar gewesen. Zwar redete ich mir immer ein, ich könnte auch so jemand sein, der Nachrichten über den Tag liest, und erst abends alle zusammen beantwortet. Doch erwischte ich mich oft genug mit Einkaufstüten bepackt umständlich das Handy aus den unendlichen Weiten meiner Handtasche kramend, nur weil ich eine Nachricht erwartete. Eventuell ist das auch der Grund, wieso ich mir nach Erhalt meines neuen Handys direkt eine sogenannte Panzerglasfolie zulegte, mithilfe derer angeblich kein Display mehr kaputt gehen soll. Aufgrund meines exzessiven Konsums, auch zu späteren Stunden am Wochenende, ist diese auch schon zum Einsatz gekommen und hat sich bewährt.

Die Freundin mit der Vermisstenanzeige meldete sich dann nach etwa 2 Tagen über Facebook, ob ich noch am Leben sei und dass sie kurz davor war jene Anzeige zu verschicken. Da ich dann doch zwischendurch via Tablet oder Laptop Facebook checkte, bekam sie dann doch relativ schnell eine Antwort, dass es mir gut ginge. Ich hätte ja Bescheid sagen können, meinte sie. Doch dann wäre es doch nur noch halb so interessant gewesen, zu sehen, was die Leute denken, wenn der Onlinestatus bei WhatsApp mal nicht eine Uhrzeit anzeigt, die erst 3 Minuten her ist.

Einzig der Gedanke, dass die ersten Klausurnoten draußen waren, und ich nicht wusste, was die anderen für Noten haben, nagte etwas an mir. Doch irgendetwas Negatives muss so ein Verzicht ja auch haben, und man kann unseren Luxus schließlich nicht nur verteufeln. Letztendlich werden wir ja nicht automatisch zu besseren, 300% produktiveren und effektiver arbeitenden Menschen, nur weil wir auf einige Vorzüge unserer heutigen Lebensweise verzichten. Das erlebte ich bereits bei meinen Urlauben in Südafrika, wo die Mentalität vertreten wird “was heute nicht passiert, passiert morgen”. Die Redensart “just now” ergänzt diese perfekt: Klingt, als würde man es gleich sofort erledigen, deutet in Südafrika aber eher auf ein unbestimmtes Verschieben in die Zukunft hin.

Kein Handy löst auch keine Probleme

“One even reads a newspaper!” – die Bildunterschrift auf flickr.com sagt bereits Einiges. Foto: Julie Kertesz/flickr.com unter CC-BY-NC-ND
“One even reads a newspaper!” – die Bildunterschrift auf flickr.com sagt bereits Einiges. Foto: Julie Kertesz/flickr.com unter CC-BY-NC-ND

So gelang mir das Prokrastinieren an meiner Hausarbeit weiterhin vorzüglich dank Netflix, dem Windows Store auf meinem Tablet mit einer großen Auswahl an Spielen, und letztendlich dem Roman, der seit meinem Geburtstag auf meinem Nachttisch liegt. Ergo: Nur weil das Handy nicht mehr die erste Wahl bei Langeweile, Wartezeiten, oder schlussendlich fehlender Motivation ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich endlich mal rechtzeitig und mit vollem Elan an seine Aufgaben begibt.

Ein weiterer Störfaktor, der mir öfter auffiel als die Abstinenz vom mobilen Mediendschungel, war die Nutzung von Apps, die einem wirklich das Leben erleichtern. Ich musste Freunde und Kollegen regelmäßig nach Zugverbindungen fragen, selten gefahrene Strecken selbst mit dem Laptop heraussuchen, mich nach dem Wecker meines Freundes richten, mich ohne Navi zurecht finden, von alleine an die Pille denken und und und… Ihr seht die Liste ist länger, als der Vorteil nicht ständig mit nach unten gebeugtem Kopf und starrendem Blick sowie einarmig durch die Gegend zu laufen.

Somit lautet mein Fazit: Solange man hier und da seinen Konsum von “Luxusapps” einschränkt, die man nicht wirklich braucht, ist das Smartphone doch nützlicher als ich zuvor dachte. Apps, die mir viel Zeit im Alltag ersparen, überwiegen doch die Zeitraubenden, die man auch mit Hilfe von ein bisschen Selbstdisziplin (falls man so ein Smombie ist wie ich) so weit einschränken kann, dass diese eine kaum nennenswerte Zeit im Alltag einnehmen. Aber ganz ehrlich: Ein bisschen traurig darüber, dass Snake in diesem Modus nicht funktioniert, war ich schon, denn selbst das hatten unsere alten Knochen von damals schon drauf.

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