Aktuelles Alltag Gesellschaftsleben Studentenleben

Auf die Helme!

Hand aufs Herz: Wer von euch trägt beim Fahrradfahren einen Helm? Auch ich war bis vor Kurzem mehr ohne als mit Kopfschutz unterwegs. Dann hatte ich einen Fahrradunfall. Warum das Fahren mit Helm die Regel und nicht die Ausnahme sein sollte.

Von Nadine Thomas

Auf diese Art der Selbsterfahrung hätte ich gerne verzichtet. Ich war auf dem Weg von der Uni nach Hause, als ein Auto mich beim Einfahren in den Kreisverkehr übersah und mich mit voller Wucht erfasste. Einen Helm habe ich nicht getragen. Wie die Geschichte ausgegangen wäre, wenn ich auf den Kopf gefallen wäre, will ich mir gar nicht ausmalen. Ein zweites Mal möchte ich meinen Schutzengel jedoch ungern herausfordern. Daher war mir der Unfall vor allem eine Lehre: nie mehr ohne Helm Fahrrad fahren.

Die Faktenlage ist eindeutig

Mit fast 72 % ist der Kopf das meistbetroffene Körperteil bei Fahrradunfällen (Helfen & Lefering, 2017). Und: Vier von fünf Kopfverletzungen wären mit Helm nicht passiert. Denn ein gutsitzender Helm wirkt wie ein Puffer, der die Aufprallenergie abfängt und sie gleichmäßig verteilt. Ganze zwei Drittel der Energie können durch den Helm absorbiert werden. Studien, die besagen, dass man mit Helm risikofreudiger fährt oder Autofahrer*innen einen mit weniger Abstand überholen, konnten im Übrigen nicht repliziert werden (Olivier & Walter, 2014).  Schaut man sich die Statistiken an, spricht also alles für das Tragen eines Helmes. Doch warum fahren die meisten von uns trotzdem ohne Kopfbedeckung? Und was muss passieren, damit wir alle mehr Helme tragen?

Weg vom Unverwundbarkeit-Denken

Es liegt in der Natur des Menschen die Wahrscheinlichkeit, dass ihm selbst ein Unglück passieren könnte, zu unterschätzen. An und für sich ist dieser Mechanismus auch durchaus sinnvoll. Er ermöglicht es uns, unseren Alltag zu leben, ohne uns ständig Sorgen zu machen. Doch der Glaube an unsere eigene Unverwundbarkeit macht auch leichtsinnig. In der Überzeugung, dass uns schon nichts passieren wird, verzichten wir auf den Fahrradhelm. Verstärkt wird der Gedanke der Unverwundbarkeit noch durch die Überzeugung stets alles unter Kontrolle zu haben. In der Regel sind wir äußerst selten in Unfälle verwickelt. Unsere Unfallfreiheit schreiben wir unserer Kompetenz und unserer Erfahrung im Straßenverkehr zu. So glauben wir, in jeder Situation stets angemessen reagieren zu können. Das Tragen eines Fahrradhelmes wird somit überflüssig.

Foto: Michael Münch, flickr
Next level: Fahrradhelme an Leihfahrrädern wie hier in Brisbane (AUS) Foto: Michael Münch, flickr

Dabei kann ein Unfall immer und jeder Zeit passieren. Genauso wenig können wir immer und überall wachsam sein. Der Gedanke, dass wir unverwundbar sind, ist verführerisch– aber leider eine Illusion. Und kann uns im schlimmsten Fall das Leben kosten.

Keine Frage des Alters

Warum tragen Kinder einen Helm, aber die meisten ihrer Eltern nicht?  Wenn wir möchten, dass unsere Kinder einen Helm tragen, sollten wir mit gutem Beispiel voran gehen. Indem wir Kindern sagen, sie sollen einen Helm tragen, es aber selbst nicht tun, vermitteln wir ihnen das Bild, dass Helmtragen etwas mit Unreife zu tun hat. Sobald man groß ist, braucht man den Schutz nicht mehr.

Dabei sind Erwachsenenköpfe nicht robuster als Kinderköpfe. Zwar können die Folgen eines Hirnunfalls bei Kindern weitreichender sein und enorme Entwicklungsschäden hinterlassen, aber auch Erwachsenenschädel sind empfindlich. Hinzu kommt, das Erwachsene häufig riskanter fahren als ihre Sprösslinge. Einen Helm zu tragen ist keineswegs ein Zeichen von Unreife, sondern genau das Gegenteil. Durch das Tragen eines Helmes zeigen wir Verantwortung, für uns und für das Leben von anderen.

Macht der Gewohnheit

Leider reicht das bloße Wissen über die Vorzüge von Fahrradhelmen nicht aus, damit wir sie auch wirklich im Straßenverkehr aufsetzen. Wir Menschen sind von Grund auf faul und lieben die Gewohnheit. Wenn wir seit Jahrzehnten ohne Helm Rad gefahren sind, kostet es erst einmal einiges an Energie, diese Gewohnheit zu durchbrechen. Wichtig ist, dass wir persönlich vom Helmtragen überzeugt sind. Wer allein aus Zwang oder zum Gefallen anderer den Helm aufsetzt, wird nicht lange durchhalten. Dann hilft es, den Fahrradhelm an einem Ort zu platzieren, wo er gut sichtbar und schnell zugänglich ist, wie zum Beispiel die Garderobe. Wer es sich ganz einfach machen möchte, schließt den Fahrradhelm direkt an sein Zweirad. Auf diese Weise muss man nicht jedes Mal mit sich selbst diskutieren, ob der Helm heute mitgenommen werden soll oder nicht. Auch Ausreden wie den Helm in der Wohnung vergessen oder es eilig gehabt zu haben werden dadurch unzulässig.

Keine Falsche Eitelkeit

Versuch des BMVI, Fahrradhelme sexy zu machen Foto: Rankin/BMVI/DVR

Eine Kampagne des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat es versucht: Fahrradhelme sexy zu machen (siehe Foto rechts). Über den Erfolg der Kampagne (und über die Kampagne selbst) lässt sich streiten. Auch über die Sexyness eines Fahrradhelmes. Sicher ist jedoch, dass ein Helm, den man ästhetisch schön findet, eher getragen wird. Mittlerweile gibt es Fahrradhelme in allen Formen und Farben. Beim Kauf sollte jedoch darauf geachtet werden, dass das Modell der allgemeinen DIN EN 1078 Norm entspricht. Fakt ist: Besser als ein Kopfverband sieht ein Helm alle mal aus. Und seien wir ehrlich – wahre Schönheit entstellt nichts.

Die Selbstverständlichkeit muss her

In den Niederlanden, Australien oder Kanada ist das Tragen eines Fahrradhelmes über alle Altersspannen hinweg bereits Selbstverständlichkeit. Eine Helmpflicht gibt es dabei in keinem der Länder.  Schön wäre es, wenn auch wir Deutschen diese Selbstverständlichkeit an den Tag legen würden. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen und erfordert ein Umdenken in der Gesellschaft. Aber wir können einen ersten Schritt tun, in dem wir bei uns anfangen. Und das hoffentlich ganz ohne Selbsterfahrung.

 

Quellen:

Helfen, T., Lefering, R., Moritz, M., Bocker, W., & Grote, S. (2017). Characterization of the seriously injured cyclist; An evaluation of the injury and treatment focus areas of 2817 patients/Charakterisierung des schwer verletzten Fahrradfahrers; Eine Auswertung der Hauptverletzungen und Behandlungsschwerpunkte von 2817 Patienten. Der Unfallchirurg, 120(5), 403. doi:10.1007/s00113-016-0208-y

Olivier, J., & Walter, S. R. (2014). Correction: Bicycle Helmet Wearing Is Not Associated with Close Motor Vehicle Passing: A Re-Analysis of Walker, 2007. PLoS ONE, 9(1). doi:10.1371/annotation/7e009550-a92d-49a2-8053-e6fcf7612966

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert